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Bachs "Chaconne" für Violine Fünf herausragende Interpretationen

Innerhalb der Oper "Die Passagierin" von Mieczysław Weinberg ist sie als musikalisches Zitat ein Symbol für Toleranz und Humanität: die berühmte Chaconne aus der Partita Nr.2 d-Moll für Violine solo BWV 1004 von Johann Sebastian Bach. Für Geiger*innen eine technische und geistige Herausforderung besonderer Art. Wir stellen Ihnen fünf herausragende Interpretationen vor.

Hilary Hahn | Bildquelle: OJ Slaughter

Bildquelle: OJ Slaughter

Geschrieben hat Johann Sebastian Bach die Chaconne um das Jahr 1720 in Köthen, im Rahmen von sechs Violin-Sonaten und -Partiten. Nach seinem Tod waren die Stücke über hundert Jahre lang vergessen. Robert Schumann und Johannes Brahms, auch der Geiger Joseph Joachim trugen zu ihrer Wiederentdeckung bei. Heute gelten die Partiten als Meilenstein einer singulären Gattung. Die monumentale, 256 Takte umfassende Chaconne ist der einzige Variationensatz im gesamten Kammermusikwerk Bachs.

Marc Bouchkov (Jg.1991)

Der belgische Geiger Marc Bouchkov entfaltet Bachs großen figurativen Einfallsreichtum sehr demütig vor lauschendem, am Ende applaudierendem Orchester: auf einem Konzertpodium in Pandemiezeiten, ohne Publikum. Dass die Komposition hohe Anforderungen an das Konzentrationsvermögen der Hörer*innen stellt, tritt klar und deutlich hervor. Und doch erschließt sich die Anlage: Bach startet mit 131 Takten Moll, geht weiter über 76 Takte Dur (im grüblerischen Mittelteil!) und schließt die Bogenform mit 49 Takten Moll.

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J. S. Bach: 2. Partita d-Moll BWV 1004 (Chaconne) ∙ Marc Bouchkov | Bildquelle: hr-Sinfonieorchester – Frankfurt Radio Symphony (via YouTube)

J. S. Bach: 2. Partita d-Moll BWV 1004 (Chaconne) ∙ Marc Bouchkov

Hilary Hahn (Jg.1979)

Die amerikanische Geigerin Hilary Hahn nimmt sich über siebzehn Minuten und damit ungewöhnlich viel Zeit für den Ernst und Tiefgang der Chaconne. Wir erkennen durch den im Video gebotenen Blick auf das Notenbild ein in sich geschlossenes achttaktiges Thema, das sich erst nach Wiederholung der viertaktigen Basslinie als solches ergibt. Bach variiert die Akkordfolge, die sonst im Rahmen einer Chaconne beibehalten wird. Im Notenbild rätselhaft wirken die als Akkorde notierten Arpeggien, die das Wissen um derartige Spielpraktiken und das Stilgefühl der Barockzeit voraussetzen.

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Bach Chaconne Hilary Hahn

Gidon Kremer (Jg.1947)

Der lettisch-deutsche Geiger Gidon Kremer spielt hier mit der von ihm bekannten Hingabe in sakralem Raum vor goldglänzendem Altar. Das rückt unwillkürlich Bachs versteckte Anspielungen auf Choräle in den Blickpunkt, Themen wie Tod und Auferstehung. Viele sehen in der Chaconne einen musikalischen Grabstein für Bachs verstorbene Gattin Maria Barbara. Andere haben semantische Codes nachgewiesen, die verklausuliert auf Bachs Familienmitglieder hinweisen.

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Gidon Kremer - Bach, Chaconne

Das "Starke Stück": Bachs Chaconne in d-Moll

In seiner Chaconne in d-Moll für Solovioline bringt Johann Sebastian Bach die Gattung zu einem Höhepunkt. Doch trotz aller Zahlen- und Symboltheorien bleibt die besondere Ausstrahlung des Werkes Bachs ein großes Geheimnis. BR-KLASSIK "Das Starke Stück" lesen und hören Sie hier.

Yehudi Menuhin (1916-1999)

Der amerikanisch-schweizerisch-britische Geiger Yehudi Menuhin hat in der Chaconne vor allem Paradoxien gesehen: große Kraft ohne Gewaltsamkeit, Gefühl ohne Sentimentalität, vernünftige Ekstase, nüchterne Trunkenheit. Das Konzert-Video dokumentiert einen Auftritt in schlichtem Ambiente mit Blumenschmuck. Ein Flügel im Hintergrund erinnert daran, dass Bach das Stück auf seinem geliebten Clavichord oft für sich allein gespielt haben soll. Die durch ihre ständige Wiederholung fundamentale Bass-Linie lässt alles als Litanei oder Gebet empfinden. Vielleicht auch als Mantra.

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Yehudi Menuhin plays Bach Chaconne 1972, Gstaad

Jascha Heifetz (1901-1987)

Der russisch-amerikanische Geiger Jasca Heifetz bietet die Chaconne hochvirtuos in zügigem Tempo. Markant offenbart sich die Schwierigkeit der Frage: Wo endet eine Variation, wo beginnt die nächste? Verschiedene Analysen erkennen 64 Variationen der ersten vier Takte. Andere sprechen von 34 Variationen mit 8 mal den ersten vier Takten plus 26 mal den vollständigen acht Takten. Die Kamera wählt eine Großaufnahme des Interpreten und seines Instruments, in nüchternem Ambiente.

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Jascha Heifetz - Chaconne (Bach)

"Die Passagierin" in München

Mieczysław Weinberg: "Die Passagierin"
Oper in zwei Akten acht Bildern und einem Epilog
Libretto von Alexander W. Medwedew
nach der gleichnamigen autobiografischen Erzählung Pasażerka (1962) von Zofia Posmysz (1923–2022)
Premiere am 10. März 2024, 18:00 Uhr, Nationaltheater München
BR-KLASSIK überträgt die Premiere live im Radio.

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Montag, 11.März, 16:41 Uhr

Trappe

Szeryng, Milstein, Oistrach

Bei der Chaconne Szeryng oder auch Milstein außen vor zu lassen, ist schon sehr gewagt. Das sind einfach Heroen des Bachspiels. Und beeindruckend ist, dass man diese neben Heifetz und Oistrach eben bis heute als Maßstab nehmen muss.
Und man sollte doch formal bitte das "innen" in der Überschrift herauslassen, das stört einfach grundlegend den Lesefluss. Die Geiger (mask+fem.) umfasst beides. Genauso gibt es nur den Plural zu "die Bürger".

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