Zur Saisoneröffnung der Mailänder Scala feierte am 7. Dezember Giuseppe Verdis "Attila" Premiere. Attila ist ein gnadenloser Eroberer, der heidnischen Göttern huldigt. Nur der Bischof von Rom und die kämpferische Odabella können ihn beeindrucken. Mit düsteren Bildern setzte Regisseur Davide Livermore den Stoff für das heutige Publikum um. In der Titelrolle sang der Bassist Ildar Abdrazakov, Riccardo Chailly dirigierte.
Bildquelle: © Brescia Amisano / Teatro alla Scala
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In düstersten Farben malt Riccardo Chailly am Pult des Orchesters der Mailänder Scala das geschundene, in Trümmern liegende Italien und findet in Giuseppe Verdis Partitur bedrückende Klänge für die Grausamkeiten des Krieges. Die kämpferische Seele der Protagonisten zeigt sich stets in einer enorm kraftvollen Caballetta, und auch die Chöre bäumen sich zu großem Widerstand auf. Ja, Verdi hat mit Attila eine italienische Nationaloper komponiert, und wenn man das Werk durch die Augen des Regisseurs Davide Livermore sieht, wird das überdeutlich: Livermores Attila ist ein General des zwanzigsten Jahrhunderts, seine Soldaten erschießen gnadenlos auch Frauen und Kinder, und die Ruinen von Aquileia könnten auch das zerbombte Berlin nach dem zweiten Weltkrieg sein.
Ildar Abdrazakov in "Attila" an der Mailänder Scala, 2018 | Bildquelle: © Brescia Amisano / Teatro alla Scala Ildar Abdrazakov singt und verkörpert diesen schonungslosen Eroberer mit einer faszinierenden Mischung aus Eleganz und Kraft. Seine Stimme verleiht dem Brutalo sogar erstaunlich viel Weichheit, und wenn er auf seinem schwarzen Hengst auf die Bühne der Mailänder Scala reitet, wirkt das sehr authentisch. Tierschützer hatten im Vorfeld den Auftritt von echten Pferden in der Oper angeprangert, und die Zerstörung einer Marienstatue ließ Blasphemie-Vorwürfe aufkommen. Auf die Pferde hat Livermore nicht verzichtet, die Marienstatue wurde durch ein goldenes Kalb ersetzt. Geht auch, Attilas Heidentum ist ein wesentlicher Punkt im Libretto und muss irgendwie gezeigt werden. Das stärkste Element im opulenten Bühnenbild der Neuproduktion sind die Videosequenzen, die in eindringlichen Bildern zur Musik wirken. Besonders die Vorgeschichte von Odabella, die als Kind die Ermordung des Vaters mit ansehen muss, wirkt als Schlüsselszene für ihre Rachegelüste.
Saioa Hernandez als Odabella in "Attila" an der Mailänder Scala, 2018 | Bildquelle: © Brescia Amisano / Teatro alla Scala Der spanischen Sopranistin Saioa Hernández gelingt in dieser dramatischen Rolle der Odabella ein beachtliches Scala Debüt, auch wenn sie mit dem Tenor Fabio Sartori als Foresto optisch kein glaubhaftes Liebespaar abgibt. Auch gesanglich fehlt es noch etwas an Emotionen zwischen den großen Tönen. George Petean als römischer General Ezio gelingt dagegen ein besonders stimmschönes Rollenportrait, und er steht seinem Widersacher Attila in nichts nach. Den Spalt zwischen den beiden zeigt Livermore in einer berstenden Brücke, deren Teile im Laufe des Abends immer wieder etwas unmotiviert über die Bühne fahren. Es sind dennoch beeindruckende Bilder wie aus einem düsteren Hollywood-Film, die einem von dieser umjubelten Inaugurazione im Gedächtnis bleiben, stets in Verbindung mit der eindringlichen Musik des jungen Verdi.
BR-KLASSIK sendet am 8. Dezember 2018 den Mitschnitt der Premiere.
Sendung: "Piazza" am 8. Dezember 2018 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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