Über ein halbes Jahrhundert war er das Herz und die Seele des legendären Beaux Arts Trios. Danach startete er noch einmal durch und spielte mit den besten Orchestern der Welt. Im Mai 2023 starb Menahem Pressler im Alter von 99 Jahren. Am 16. Dezember wäre er 100 geworden.
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Innigkeit und Eleganz, das waren die Begriffe, mit denen sich Menahem Presslers Klavierspiel wohl am besten beschreiben ließ. Vollkommen fremd waren ihm hingegen plakatives Zurschaustellen seines Könnens und demonstrative Extrovertiertheit. Seinen Konzerten wohnte stets ein Zauber inne: Ein Triller, zum Beispiel, besteht für viele Pianisten nur aus zwei schnöden Noten, über die man unachtsam hinweg spielt, sich drauf setzt oder nur brilliert. Menahem Pressler zauberte ihn. Spielte ihn perlend, locker und ebenmäßig. Liebevoll - so harmonisch und vollendet, als wäre es der David von Michelangelo.
Wenn du liebst, gibst du. Liebst du nicht, nimmst du nur.
Antonio Meneses, Menahem Pressler und Daniel Hope vom Beaux Arts Trio | Bildquelle: © Marco Borggreve Menahem Pressler lebte für die Musik. 1955 gründete er in New York, aus einer Laune heraus, das Beaux Arts Trio und legte damit den Grundstein für eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Der Solist wollte Kammermusik machen, Mozart-Trios spielen. Zu Beginn dachte er, der Geiger Daniel Guilet und der Cellist Bernard Greenhouse, sie würden nur sechs Konzerte spielen, eine Platte aufnehmen und sich dann verabschieden. Doch der Zufall wollte, dass das Beaux Arts Trio über Nacht berühmt und sofort über siebzigmal engagiert wurde. Mehrfach wechselte die Besetzung; auch Geiger Daniel Hope war Mitglied der Formation. Nur Menahem Pressler blieb und spielte - ob mit Rippenprellung, mit Schnupfen oder gesund.
Meine Kritik ist scharf, aber man wird sich daran erinnern.
Menahem Pressler | Bildquelle: Lutz Sternstein Menahem Pressler wurde 1923 als Max Jakob Pressler in Magdeburg geboren. 1939 floh er mit seinen jüdischen Eltern vor den Nationalsozialisten nach Palästina und lebt seit den 50er-Jahren in den USA. Seine Familie hatte Glück, und Glück bezeichnet Pressler als sein Haupttalent. Doch das ist wohl die Innenansicht, denn er hat immer selbst etwas daraus gemacht. Nach den weltweiten Kammermusikerfolgen mit dem Beaux Arts Trio startete er 2008 eine erfolgreiche Solokarriere. Noch wenige Jahre vor seinem Tod am 6. Mai 2023 war er als Pianist aktiv und versuchte unermüdlich, zwei Tage in einen zu packen. Mit 91 Jahren begann er mit seiner Gesamteinspielung der Mozart-Klaviersonaten. Sein Klavierspiel war durchweg beseelt, vollkommen unprätentiös und sachdienlich dem Notentext gegenüber. Gefühl und Verstand waren für ihn kein Gegensatzpaar, sondern immanent in der Musik verankert, vor allem in den Werken von Schubert, Beethoven oder Mendelssohn. Er reiste um die Welt, konzertierte, nahm CDs auf und unterrichtete junge Musiker. Charmant im Umgang, war er unerbittlich gegen sich selbst und andere, wenn es um das Erreichen höchster musikalischer Qualität ging.
Menahem Pressler vertrat eine Pianistengeneration, die sich selbst wenig inszeniert. Wer das Glück hatte, ihn in einem seiner Meisterkurse zu erleben, merkte schnell, wie sehr ihm die Vermittlung der kompositorischen Botschaft am Herzen lag. Der Komponist steht an erster Stelle, nicht der Interpret. Gerne sprach er vom "Geist in der Musik" als seinem großen Anliegen, das er als leidenschaftlicher Lehrer nachfolgenden Musikergenerationen weitergeben wollte: "Die Schüler sind für mich meine Geisteskinder. Ich bin nicht immer ein angenehmer Lehrer, nein, ich verlange von jedem sein Bestes."