Der Leistungsdruck ist enorm, die Zukunft ungewiss. Immer mehr Musikstudenten leiden unter psychischen Problemen. Die Corona-Krise hat die Situation noch verschärft. Der Bedarf an psychologischer Unterstützung steigt. Gerade jetzt sind entsprechende Angebote für junge Musiker besonders wichtig.
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Mit Musik erfolgreich zu werden, ist schwer. Um diesem Ziel näher zu kommen, studieren laut statistischem Bundesamt aktuell 26.835 1junge Menschen an Deutschlands Musikhochschulen. Der Leistungsdruck ist dabei hoch, die Konkurrenz stark. Die Corona-Pandemie hat den Druck auf die Studierenden nochmal erhöht. Denn ohne Live-Konzerte fehlt die Möglichkeit, Fähigkeiten zu verbessern, Berufserfahrung zu sammeln – und das Studium zu finanzieren.
Ich habe aus dem Nichts Panikattacken entwickelt.
Es gibt Musikstudenten, die darüber nachdenken, ihr Studium zu schmeißen: "Es war vor Corona schon nicht so leicht, aber mit Corona ist es kaum noch tragbar", erzählt ein junger Posaunist. Es sei frustrierend, viel Arbeit in ein Konzert zu investieren, das dann kurzfristig abgesagt wird, klagt eine Musikstudentin: "Dann hat man das Gefühl, dass nichts dabei herauskommt." Eine weitere Kommilitonin berichtet von Panikattacken, verursacht durch den nicht nachlassende Leistungsdruck.
Ängste und Sorgen nehmen in der Corona-Krise auch unter Musikstudenten zu. | Bildquelle: picture alliance / Zoonar | Konstantin Pelikh Wann und wie geht es mit der Karriere weiter? Corona sorgt für Unsicherheit unter den Studierenden. Maria Schuppert ist Leiterin des Bereichs Musik und Gesundheit an der Hochschule für Musik in Würzburg. Die zusätzliche psychische Belastung vieler Studierender durch die Corona-Pandemie macht sich auch in ihrer Arbeit bemerkbar. "Die Studierenden nehmen deutlich mehr psychologische Hilfe in Anspruch", sagt Maria Schuppert. Während einige von ihnen allgemeine musikermedizinische und psychologischen Beratung in Anspruch nehmen, klagen andere in auffallender Weise im künstlerischen Unterricht, aber auch in Kursen, die eigentlich im körperpraktischen Bereich liegen. "Hier kommen immer wieder die psychologischen Themen auf. Wir spüren einfach, dass ein Beratungsbedarf da ist", so Schuppert.
Studierenden nehmen deutlich mehr psychologische Hilfe in Anspruch.
Die Dozierenden der Musikhochschule in Würzburg versuchen während der Pandemie bei Problemen zu unterstützen, wo es geht. Aber auch außerhalb der Hochschulen wird die psychische Belastung der Musikstudierenden wahrgenommen – etwa beim Verband Mental Health in Music. Im Frühjahr 2020 gegründet, will der Verband deutschlandweit die erste Anlaufstelle für Musikschaffende sein, wenn es um psychologische Beratung, Aufklärung und Prävention geht.
Es geht darum, wie ich mich durch diese Krise bringe.
Dazu gehört auch die Zusammenarbeit mit Musikhochschulen, sagt die Psychologin Franziska Koletzki-Lauter vom MiM-Verband. Der bietet unter anderem einen Workshop zum Thema Krisenmanagement an: "Umgang mit Krisen: Was macht man? Wie verhält man sich? Und wie kommt man da wieder raus? Wie kann man wieder eine Perspektive entwickeln?" Ob Studierende oder alteingesessenen Profis in der Musikbranche – eigentlich hätten alle bereits eine mehr oder weniger große Krise durchgemacht, sagt Koletzki-Lauter. Workshops zum Thema Krisenmanagement bieten sie deshalb auch an den Hochschulen an. "Nur geht es da dann nicht so sehr darum, wie man seine Firma über die Krise bringt, sondern darum, wie ich mich durch diese Krise bringe", erklärt die Psychologin.
Psychologische Beratung - eine Sache der Musikhochschulen? | Bildquelle: colourbox.com Neben der Kooperation mit deutschen Hochschulen bietet der MiM-Verband kostenpflichtige Beratungsgespräche, aber auch kostenlose Online-Informationen rund um das Thema Musikstudium und Mental Health an. In erster Linie sieht Koletzki-Lauter die Hochschulen klar in der Pflicht, ihre psychologischen Betreuungsangebote auszubauen – gerade jetzt, wo viele Studierende von Angst getrieben werden, depressiv sind oder ihre Motivation verloren haben: "Spätestens jetzt merken die Hochschulen, dass es ganz wichtig ist, eine gute psychologische Beratung zu integrieren. Eigentlich ist es eine Chance, sich das jetzt noch mehr anzugucken und zu fördern."
Inwiefern die Musikhochschulen die aktuelle Situation zum Anlass nehmen, um ihr Betreuungsangebot für Studierende auszubauen, bleibt erstmal offen. Klar ist, dass Musikstudierende während der Corona-Pandemie einer hohen Belastung ausgesetzt sind. Eine Belastung, mit der sie nicht allein gelassen werden sollten.
MiM-Verband Mental Health in Music
Psychologische Beratung des Deutschen Studentenwerks
Telefonseelsorge für anonyme, telefonische Soforthilfe:
0800 / 111 0 111, 0800 / 111 0 222 oder 116 123
Sendung: "Allegro" am 22. Dezember 2020 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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