Mysteriös, diese Sonaten: 16 Musikstücke, aufgereiht wie am Rosenkranz, in denen Heinrich Ignaz Franz Biber über das Leben Marias meditiert. Geigerin Meret Lüthi hat nun den kompletten Zyklus eingespielt und nach einem Konzert selbst etwas Mysteriöses erlebt.
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Drei Fragen und drei Antworten mit Meret Lüthi
Sie hat lange und intensiv darauf hingearbeitet. Vor 18 Jahren spielte die Geigerin Meret Lüthi zum ersten Mal eine der Rosenkranzsonaten von Heinrich Ignaz Franz Biber. Nun ist die Zeit reif geworden für eine Gesamtaufnahme des kompletten Zyklus, der zu den bedeutendsten, aber auch rätselhaftesten Werken der Barockmusik gehört.
Sie fühle sich den Werken verbunden, erzählt Meret Lüthi im Gespräch mit BR-KLASSIK. Und in ihrer Verbundenheit mit der Musik erlebe sie immer wieder etwas Mysteriöses, etwa während der Konzerte. 2015 spielte sie bei einem Auftritt die Sonate "Verkündigung an Maria". Darin erfährt Maria von Engeln, dass sie schwanger ist. Und zwei Wochen später erfuhr auch Meret Lüthi, dass sie ein Baby im Bauch trug – schon während des Konzerts. Ein Zufall? Nein! Davon ist Lüthi überzeugt: "Das war mehr als eine Fügung. Das musste so sein."
Das Album mit Meret Lüthi und ihrem Ensemble "Les Passions de l’Ame" entstand als Co-Produktion von BR-KLASSIK Franken mit dem Label Prospero und erscheint Anfang Januar in der Schweiz. Die Aufnahmen fanden im historischen Kornspeicher des mittelfränkischen Ortes Lehrberg statt.
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H.I.F. Biber: Rosenkranzsonate Nr. 1 | Les Passions de l'Âme, Meret Lüthi (Violine) | BR-KLASSIK
"Die große Sinnlichkeit, die in diesem Zyklus angelegt ist, dieses Verführen durch den Hörsinn, und das Angeregt-Werden zu einem sinnlichen Erlebnis, das ist zeitlos. Das wird auch in fünfhundert Jahren noch Menschen berühren können." Davon ist Meret Lüthi zutiefst überzeugt. Für sie ist der Kern dieser Musik universell erfahrbar, ganz unabhängig von den äußeren Veränderungen in den 350 Jahren seit ihrer Entstehung. Noch immer könnten Bibers Rosenkranz-Sonaten etwas in uns zum Schwingen bringen, in uns modernen Menschen, denen über das Smartphone jede Art von Musik zu jeder Zeit verfügbar ist – auch wenn der theologische Hintergrund des Werkes heute nicht mehr so präsent ist wie zu Bibers Zeiten. Die insgesamt 15 "Mysterien-Sonaten" Bibers plus eine Passacaglia meditieren über die Geheimnisse des Rosenkranzes, also über Episoden aus dem Leben der biblischen Maria – von der Verkündigung der Geburt Jesu bis zur Krönung Mariens im Himmel.
Meret Lüthi ist tief eingetaucht in Bibers Kosmos. Etwa in das Netz von Bedeutungen, das Biber mit gezeichneten Illustrationen über die Partitur spannt. Sie hat Experten für Ikonographie befragt, um die Darstellungen auf den Vignetten zu entschlüsseln, die der Komponist aus einem Andachtskalender ausgeschnitten hat und in seiner handschriftlichen Partitur vor die jeweilige Sonate geklebt hat.
Bewundernswert ist die geigentechnische Raffinesse der Rosenkranz-Sonaten und speziell auch das Spiel mit umgestimmten Geigensaiten. "Eine große Herausforderung", so Lüthi, "sind die Skordaturen, anders gesprochen: Ich muss für jede Sonate meine Geige neu einstimmen. Das sind neue Informationen für den Bogenarm, aber auch ein ganz ein anderes Klangbild."
Auch technisch setzt die CD Maßstäbe: Sie ist eine der ersten BR-Produktionen mit "Dolby Atmos", einem Verfahren, das den Surround-Klang in weitere räumliche Dimensionen erweitert. Das System wurde ursprünglich für noch realistischere Geräuschwiedergabe im Kino entwickelt und entfaltet seine volle Wirkung durch zusätzliche an der Decke angebrachte Lautsprecher oder speziell für das System konzipierte Kopfhörer. Ein sinnliches Klangerlebnis ganz im Geiste Bibers, das aber dank der facettenreichen Interpretation des Ensembles "Les Passions de l'Ame" auch in Stereo voll zur Geltung kommt.
Sendungshinweis:
Zusammen mit BR-KLASSIK Redakteur Thorsten Preuß stellt Meret Lüthi ihre Neuinterpretation an drei Terminen im Radio vor: an Heiligdreikönig, am Karfreitag und an Pfingsten: