Im Rahmen der Mozartwoche Salzburg steht Peter Simonischek am 27. Januar zusammen mit der Musicbanda Franui auf der Bühne. Das Motto des Programms lautet: "Ennui" - französisch für Langeweile. Ein Interview über Fluch und Chancen der Langeweile.
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Das Interview zum Anhören
BR-KLASSIK: Peter Simonischek, ist Langeweile für Sie persönlich gleichbedeutend mit Genuss oder Verdruss?
Peter Simonischek: Es ist schon etwas gefährlich, ein Programm "Langeweile" zu nennen - genauso wenig wie man auf der Bühne gähnen soll, das hat mein erster Theaterdirektor gesagt. Langeweile ist ja das, was überwunden werden muss, um zu überleben. Wir werden ja hier auf diesen Planeten geworfen und müssen zusehen, dass wir irgendwie über die Runden kommen. Es gibt ja in dem Sinne keinen Sinn und Zweck, warum wir hier sind; diesen Sinn müssen wir uns selbst schaffen. Und der Boden, auf dem dieser Erfindungsreichtum Platz hat, ist die Langeweile. Irgendwann ist mir klar geworden, dass Langeweile ein kostbares Gut ist, denn aus der Langeweile entstehen die eigenen Bedürfnisse.
BR-KLASSIK: Gibt es denn für Sie überhaupt so etwas wie ein Gefühl von Langeweile? Falls ja: Wann und wo entsteht sie? Und kann man sie überhaupt selbst erschaffen - kommt sie nicht irgendwann von alleine?
Musicbanda Franui | Bildquelle: Reiner Pfisterer Peter Simonischek: Ich glaube, die Bedingungen dafür kann man sich schaffen - und das versuche ich in jedem Urlaub: Ich fahre nur an ausgesuchte Orte, wo nichts los ist - wo man gar nicht in Versuchung kommt, sich abzulenken. In dem Manuskript, das ich gerade in Händen halte, steht: "Nichts ist so unerträglich für den Menschen als sich in einer vollkommenen Ruhe zu befinden - ohne Leidenschaften, ohne Geschäfte, ohne Zerstreuung, ohne Aufgabe. Er wird dann sein Nichts fühlen, seine Verlassenheit, sein Ungenügen, seine Abhängigkeit, seine Ohnmacht, seine Leere. Unaufhörlich wird aus dem Grund seiner Seele der Ennui aufsteigen - die Schwärze, die Traurigkeit, der Kummer, der Verdruss, die Verzweiflung." Das muss man zulassen, und dann entsteht was Neues. Aus der Stille - das ist die einzige Chance, dass etwas aus einem selbst entsteht, was nicht von außen zugetragen wird. Das ist ein Riesenunterschied, ob Sie Ihre eigenen Impulse verarbeiten oder ob Sie ständig von Impulsen gefüttert werden.
BR-KLASSIK: Macht Ihnen das keine Angst, dieses dunkle Nichts?
Peter Simonischek: Man hat ja immer nur Angst vor dem Nichts. Es ist ja dann nie "nichts". Es kommen ja Gedanken und Ideen. Plötzlich taucht da eine Sehnsucht auf - oder eine Erinnerung, die einen motiviert etwas weiterzuverfolgen, das man vielleicht vor Jahren schon einmal angedacht hatte. Aber für so etwas bracht man Ruhe und - wie ich es ausdrücke - Langeweile.
BR-KLASSIK: Für diesen Abend haben Sie Texte von Kierkegaard, Satie, John Cage und Ernst Jandl ausgewählt. Welche neuen Einsichten haben Sie denn dort über die Langeweile gewonnen?
Peter Simonischek | Bildquelle: picture-alliance/dpa / Sven Simon
Peter Simonischek: Zum Beispiel, dass die Langeweile sehr ambivalent beschrieben wird. Manche Autoren halten sich konkret bei der Bedrohung auf - wie zum Beispiel Blaise Pascal, den ich soeben zitiert habe.
Es gibt aber auch andere Texte, die die Chance der Langeweile beschreiben. Nehmen wir doch zum Beispiel Samuel Becketts "Warten auf Godot" - obwohl dieses Stück in meinem Programm nicht auftaucht. Was machen denn die beiden Protagonisten? Sie verbringen ihre Zeit. Sie schlagen, wenn man so will, ihre Zeit tot und kämpfen gegen die Langeweile an. Sie über-leben.
BR-KLASSIK: An diesem Abend gibt es ausschließlich Musik von Mozart. Was denken und fühlen Sie über diese Musik?
Peter Simonischek: Ich glaube, es wird kein reiner Mozart gespielt werden. Die Musicbanda Franui beschäftigt sich mit Mozart, und das machen die auf ihre bewährte Art: zwischen dem Genuss des Erkennens und dem Genuss der Verfremdung - ich liebe so etwas sehr.
BR-KLASSIK: Aber Sie selbst haben Ihre Ziehharmonika nicht dabei?
Peter Simonischek: (lacht) Ich werde mich hüten! Das sind ja Profis, und ich bin ein Laie.
BR-KLASSIK: Was spielen Sie denn zu Hause auf Ihrem Instrument?
Peter Simonischek: Polka und Ländler, und wenn mal jemand Geburtstag hat, dann wird der Telefonhörer neben die Ziehharmonika gehalten, und ich spiele "Happy Birthday". Alles ganz banal - ich muss Sie enttäuschen. Ich mach' da keine große Kunst.
BR-KLASSIK: Sie werden dann also den Abend mit Worten bereichern. Die können ja auch Musik sein - wenn man zum Beispiel an Ernst Jandl denkt.
Peter Simonischek: Wunderbar, das macht so einen Spaß! Hier können Sie gewissermaßen im Dialog sein mit der Musik. Man kann sich in die Stimmung der Musik eingliedern, man kann auch dagegen gehen, und die Musik kann auch tolle Konzentration herstellen - und Stille. Manchmal bereitet es einen solchen Genuss, den ersten Satz zu sagen - nach dem letzten Takt oder mit dem Einsatz des Hackbretts … Ich mag es sehr, mit Musikern zusammenzuarbeiten!
Die Fragen stellte Uta Sailer für BR-KLASSIK.
Freitag, 27. Januar 2017, 20.00 Uhr
Mozarteum, Großer Saal
ENNUI "Geht es immer so weiter?"
(Uraufführung)
Divertimenti, Kassationen, Serenaden etc. von Wolfgang Amadeus Mozart
Texte von Søren Kierkegaard, Erik Satie, John Cage, Alberto Moravia, Ernst Jandl u.a.
Franui Musicbanda
Peter Simonischek (Rezitation)
Seit 1956 organisiert das Mozarteum jedes Jahr in den Tagen um Mozarts Geburtstag am 27. Januar die Mozartwoche. Ziel der Veranstaltungsreihe ist es, Mozart für das Publikum immer wieder neu erlebbar zu machen. Mit mehr als 30 Veranstaltungen bietet die Mozartwoche ein dichtes und abwechslungsreiches Programm mit Konzerten, Diskussionsrunden und Filmvorführungen. Im Mittelpunkt der Woche steht immer die szenische Produktion eines Musiktheaters. Zu den eingeladenen Interpreten gehören international renommierte Orchester wie die Wiener Philharmoniker, die regelmäßig bis zu drei Konzerte bestreiten. 2017 sind beispielsweise Yannick Nézet-Séguin, das Hagen Quartett, András Schiff oder Renaud Capuçon mit dabei.
Das vollständige Programm der diesjährigen Mozartwoche vom 26. Januar bis 5. Februar 2017 finden Sie hier.