Die Wiesn und die Oper – auf den ersten Blick scheinen beide so gar nicht zusammen zu passen. Doch tatsächlich haben DJ Ötzi und Rusalka, die schöne Layla und Tannhäuser mehr gemeinsam, als sich Klassikfans oft eingestehen wollen.
Bildquelle: imago/Eibner
Oper und Oktoberfest
Was Layla und Tannhäuser gemeinsam haben
Ach ja, die "Ernste" Musik und das Oktoberfest. Auf der einen Seite: gewachsene Kultur, internationale Besetzung, identitätsstiftende Rituale. Auf der andere Seite: dasselbe. Denn ob Wein, Weib und Gesang, ob Bier, Mann und Gegröle, die Suche nach Rausch, Flirt und dem emotionalen Ausdruck dessen ist doch eine anthropologische Konstante. "Des hots immer scho gehm…"
In Verdis "La Traviata" heißt es übersetzt: "Lasst uns nippen an frohen Gläsern, auf dass [die Schönheit erblühe, und] diese flüchtige Stunde sich mit Genuss berausche." Genau das will uns auch die Wiesnband sagen mit "Ein Prosit der Gemütlichkeit". Und wenn Dvořáks "Rusalka" ein Gestirn am Himmel bittet, ihre Liebe zum Liebsten zu tragen ("Lied an den Mond"), tut das auch DJ Ötzi mit "Ein Stern, der Deinen Namen trägt".
Skandale gehören auf der Wiesn dazu wie das Bier. Aber auch in der Oper geschieht Skandalöses. | Bildquelle: Bayerischer Rundfunk 2022 Eines darf bei der Wiesn natürlich nicht fehlen: der Skandal. Skandal um schlecht eingeschenktes Bier, Skandal um Rosi, Skandal um Layla, den verbotenen und genau deshalb bereits feststehenden Wiesnhit 2022. Schöner, jünger geiler… sollte auch das Ballett in Wagners "Tannhäuser" sein, und weil es an der falschen Stelle kam, hat das Publikum die ersten Vorstellungen mit Trillerpfeifen gesprengt.
Skandal kann die Opernwelt schon lange. Und die inhaltlichen Parallelen zum Layla-Skandal sind im "Tannhäuser" verblüffend: "Dein süßer Reiz ist Quelle alles Schönen, und jedes holde Wunder stammt von dir." Ein missverstandener Künstler, der von der Öffentlichkeit verdammt wird, weil er die Schönheit der Chefin des, ähm…Venusbergs preist.
Wenn's in Wiesn-Hits und der Oper mal nicht um die Sehnsucht nach Liebe oder Erotik geht, dann halt um die Sehnsucht nach der Heimat. "Fürstenfeld I wui wieder hoam", das wollte auch schon der Chor der Gefangenen in Giuseppe Verdis Nabucco: "Ach, die Heimat, nach der wir uns sehnen, grüß sie, Gedanke so süß und voll Qual!"
Und siehe da: Das gibt's auch im Oktoberfestsound. Der Verdi-Sepp, der bringts zusammen. "Va pensiero" hat absolutes Wiesn-Hitpotenzial, nicht nur weil das der Wirt der Ochsenbraterei früher am letzten Abend auf der Trompete gespielt hat. Sondern auch, weil einst am Italienerwochenende einige nach einer Schlägerei festgenommenen Gäste im Polizeiwagen "Va Pensiero" intoniert haben, und damit einen echten Gefangenenchor. E-Musik am Oktoberfest? Ja bitte!
Sendung: "Allegro" am 16. September 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Freitag, 16.September, 10:26 Uhr
Gufo
Wiesn
Wenn man schon einen derartigen nach meinem Dafürhalten etwas gewagten Vergleich anstellt,dann sollte man auch um Vervollständigung bemüht sein und eine Oper suchen,in der Bierleichen auf einem Hügel unter einer berühmten Statue liegen und ihren Rausch ausschlafen.Falls man selbst in bachantischen Opern nicht fündig wird,könnte man es zumindest erwähnen, um die Einmaligkeit der Wiesn zu dokumentieren.Der besoffene Italiener singt sein Va pensiero, der besoffene Bayer sein Oans,zwoa,gsuffa. Ein Prosit der Gemütlichkeit!