Donnergrollen, leise Akzente oder Triumphmarsch: Die Pauke sorgt im Orchester für den besonderen Farbkick. Trockene Heizungsluft behagt ihr hingegen gar nicht. Was man sonst noch wissen muss? Hier kommt der Pauken-Check.
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Instrumentenwissen
Die Pauke
Erst tänzelt die Melodie gutmütig dahin, doch dann – rums – lässt ein Paukenschlag das Publikum ordentlich zusammenzucken. Was für ein Schelm, dieser Joseph Haydn! Er wusste eben ganz genau, wie er die Pauke als Instrument im Orchester wirkungsvoll einsetzen konnte.
Raymond Curfs ist Solopauker des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. | Bildquelle: Antonia Morin / BR Auch für den Pauker Raymond Curfs ist es ein Vergnügen, in Haydns Sinfonie Nr. 94 mal so richtig auf die Pauke zu hauen - im wahrsten Sinne des Wortes. Er sitzt ganz hinten im Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Von dort hat er den besten Überblick. "Man kann da sehr gut lenken und hat viel Einfluss auf die Klangfarbe." Und wenn das Tempo zu entgleisen droht, "dann hat man als Pauker so seine Tricks, um den Zug wieder in die richtige Spur zu kriegen", sagt Raymond Curfs verschmitzt. An dem Spruch, die Pauke sei der "heimliche Dirigent von hinten", ist also viel Wahres dran.
Die Pauke hat als Schlaginstrument im Orchester eine lange Tradition. Schon in der Barockzeit wurde sie paarweise verwendet (Was wäre Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium ohne die kräftigen Paukenschläge zu Beginn?). In romantischen Werken sind oft vier Pauken besetzt, in Hector Berlioz "Requiem" von 1837 kommen sogar sechzehn Pauken – acht pro Spieler – zum Einsatz. Eine logistische Herausforderung für Pauker wie Raymond Curfs, denn er muss alle Pauken um sich herum gruppieren und bedienen.
Ob heller Streicherklang oder tiefes Blech, ob gezupft oder geschlagen: Wir stellen Ihnen verschiedene Instrumente vor – und räumen mit so machen Mythen und Klischees auf. Alle bisher vorgestellten Instrumente im Überblick
Durch das Pedal kann die Tonhöhe der Pauke verändert werden. | Bildquelle: BR / Antonia Morin Moderne Pauken bestehen vor allem aus einem Kessel aus Kupferblech, der von einem gusseisernen Gestell gehalten wird. Der Durchmesser des Kessels reicht dabei von 52cm bei der hohen Pauke bis zu 76cm bei der Basspauke. Über den offenen Kessel ist das Paukenfell gespannt, befestigt mit einem metallenen Spannreifen. Mit einem Hebel, einer Handkurbel oder einem Pedal – je nach Bauart – kann der Spannreifen nach oben und unten bewegt werden. Dadurch verändert sich die Fellspannung: der Ton wird höher oder tiefer. So kann Raymond Curfs seine Pauken stimmen, im Tonumfang von circa einer Sexte. Curfs spielt übrigens am liebsten auf Pedalpauken, weil er so die Tonhöhe korrigieren kann, auch während er spielt.
Pauken für den Einstieg gibt es ab 1.000 bis 2.000 Euro. Doch eine hochwertige, handgefertigte Pauke für Profiorchester oder Solisten kann schon mal um die 10.000 Euro kosten. Jeder Pauker im BRSO hat sein eigenes Set Pauken. Raymond Curfs' Instrumente sind mit Kalbsfell bespannt. Alternativ gibt es auch Ziegenfell, das gern in der Barockmusik verwendet wird, und sogar Fell aus Kunststoff. Aber Curfs bevorzugt Naturfelle, "weil man da wahnsinnig viele Klangschattierungen machen und schöne Farben rauszaubern kann."
Ich bevorzuge Naturfelle, weil man da wahnsinnig viele Klangschattierungen machen kann.
Der Nachteil: Naturfelle verstimmen sich schneller und sind wetterempfindlich. "Wenn es draußen regnet oder es ein Gewitter gibt, dann geht die Intonation runter. Und im Winter bei trockener Heizungsluft ist das Fell sehr gespannt, das heißt, die Intonation geht nach oben." Deswegen taucht Curfs während eines Konzerts öfter mal ab. Er hält sein Ohr dicht an die Pauken und kontrolliert leise die Tönhöhe. Kein Wunder, das Paukerinnen und Pauker ein extrem feines Gehör entwickeln – das sprichwörtliche "Paukistengehör".
Wenn die Luft allerdings extrem trocken ist, bringt auch ständiges Nachstimmen nichts. "Die Pauken wollen einfach nicht klingen." Doch dagegen hat Curfs einen Spezialtrick: Damenstrümpfe DIN 36. "Die mache ich richtig nass und stecke sie eine halbe Stunde vor dem Konzert unten durch das kleine Loch in den Kessel. Das Fell saugt die Feuchtigkeit auf und so habe ich kurzfristig Entlastung." Man muss sich nur zu helfen wissen!
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Seine Paukenschlägel lässt Raymond Curfs individuell für sich herstellen. | Bildquelle: BR / Antonia Morin Für den passenden Klang ist aber nicht nur das Fell wichtig, sondern auch der richtige Schlägel. Raymond Curfs hat davon gleich eine ganze Kiste voll: dickere und dünnere, mit Schlägelköpfen aus Holz, Leder, Kork, umwickelt mit Flanell oder auch mit Filz. Für Musik von Haydn benutzt Curfs eher harte Holzschlägel, für Mozart zwei verschiedene Schlägelpaare, härter und weicher, "je nachdem, welchen Charakter der Satz hat". Im Kontrast dazu stehen die Schlägel mit Filzumwicklung, die einen sehr warmen, diffusen Klang erzeugen.
Alle Schlägel hat der Pauker übrigens speziell für sich anfertigen lassen, in einer Manufaktur in Japan. "Wir haben fast drei Jahre getüftelt, um Schlägel zu entwickeln, die meinem Klangempfinden entsprechen", erzählt Curfs. "Es sind wirklich in feinster Handarbeit gemachte Schlägel, die beim Wirbeln zum Beispiel von allein laufen. Man spielt und hat sofort ein gutes Gefühl dabei." Schlägel sind eben ein sehr individuelles Thema, so wie ja auch jeder Mensch kleinere oder größere Hände, längere oder kürzere Arme hat.
Schlägel sind ein sehr individuelles Thema.
Mit einem einzigen Schlägel kann Raymond Curfs übrigens bis zu vier verschiedene Klangfarben produzieren. "Das hängt damit zusammen, wie man den Schlägel hält, wie man seine Finger einsetzt, wie man die Gewichtsverteilung einsetzt." Bei den Klangnuancen stellt sich Curfs gerne Farben vor, zum Beipiel dunkelrot. "Das ist für mich ein sehr warmer, samtiger, fülliger Klang." Wenn Curfs zur Probe kommt, hat er seine Farbpalette fertig im Kopf. Er passt sich an, je nachdem, mit welchem Instrument er zusammen spielt, ob er zum Beispiel die Cellogruppe verstärkt oder die Blechbläser. "Dementsprechend kann ich meine Stimme reinrichten, die Töne länger ausklingen lassen, dämpfen oder kürzere Töne spielen." Für gedämpfte Töne legt Curfs entweder seine ganze Hand, seinen Handballen oder auch nur einzelne Finger auf das Paukenfell. Auch so produziert er wieder ganz unterschiedliche Farbnuancen.
Die Pauke erzeugt im Orchester vielseitige Klangeffekte. | Bildquelle: picture alliance / Caro | Oberheide Als Pauker ist Raymond Curfs im Orchesterkonzert oft nur an einigen Stellen gefragt. In den langen Pausen dazwischen klopft er sich mit den Schlägeln auf die Knie, um locker zu bleiben. "Wenn man über längere Strecken gar nichts zu spielen hat und plözlich drankommt, kann es sein, dass die Muskulatur nicht so aufgewärmt ist." Gleichzeitig bleibt er auch während der Pausen konzentriert und verfolgt das musikalische Geschehen um sich herum. "Für mich ist die Musik wie ein fahrender Zug, und ich sitze mit drin. Ich höre dem Orchester zu, wie sich Phrasen entwickeln, wie eine Spannung entsteht. Wenn ich das nicht machen würde, wäre es, als ob ich versuchen würde, auf einen fahrenden Zug aufzuspringen." Aber wenn der Einsatz dann sitzt, sei die Pauke im Orchester "wie die Kirsche auf der Torte", lacht Curfs.
Wenn Raymond Curfs über seinen Beruf spricht, ist seine Leidenschaft für die Pauke in jedem Satz spürbar. Als Professor für Pauke und Schlagzeug unterrichtet er auch an der Hochschule für Musik und Theater in München. Mit dem Trommeln hat er angefangen, als er gerade fünf war; ein paar Jahre später kam die Pauke dazu. Wer das Instrument erlernen will, sollte auf jeden Fall Rhythmusgefühl und Beweglichkeit mitbringen, rät Curfs. Und natürlich Spaß am klanglichen Gestalten. Denn Pauke spielen ist eben viel mehr als nur "draufzuhauen".
Sendung: "Allegro" am 25. Oktober 2023, ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Donnerstag, 26.Oktober, 09:39 Uhr
Sibylle Kremser
Pauke
Danke für diesen schönen, interessanten, informativen Artikel.