Urtier oder Spucknapf, Lötzinn oder Vuvuzela – das Horn hat viele Gesichter. Milena Viotti, Hornistin im Staatsorchester, hilft uns, sie aufzudecken: Was Sie schon immer über das Horn wissen wollten – und sich nie zu fragen trauten.
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Das Horn ist eines der ältesten Instrumente der Menschheit. Schon 2000 v.Chr. haben Menschen auf Tierhörnern und hornförmigen Muscheln geblasen und verschiedenste Signale von sich gegeben. Das Meer, Steinböcke und Ziegen haben damals das Horn sozusagen gestiftet. Zu den jüdischen Feiertagen Rosch HaShana und Yom Kippur wird bis heute auf einem Widderhorn geblasen, genannt Schofar.
Ob heller Streicherklang oder tiefes Blech, ob gezupft oder geschlagen: Wir stellen Ihnen verschiedene Instrumente vor – und räumen mit so machen Mythen und Klischees auf. Alle bisher vorgestellten Instrumente im Überblick
Und irgendwie hat auch das moderne Horn immer noch etwas Archaisches, etwas Ursprüngliches, als wäre es mit seinem weichen Klang eine Verbindung zwischen Erde und Himmel. Im Orchester hat es seinen Platz hinter den Holzbläsern, es sei denn, in der Komposition sind Spezialwünsche vermerkt. Deshalb wird es auch zur Gruppe der Holzbläser gezählt, obwohl es, rein materialtechnisch, aus Metall besteht und somit natürlich ein Blechblasinstrument ist. Aber da sollte man nicht kleinlich sein, schließlich verhält es sich bei der Querflöte nicht anders, sie besteht aus Metall, ist aber schon allein aus ihrer Geschichte heraus ein Holzblasinstrument.
Der warme, süffige Ton des Horns schmiegt sich wie Lötzinn zwischen alle Instrumente und verbindet sich so wunderbar mit den anderen. Es kann sich also gewissermaßen an sein Umfeld anpassen "Wie ein Chamäleon", sagt Milena Viotti, Hornistin im Bayerischen Staatsorchester.
Wir sprechen zwar von einem Horn, im Grunde handelt es sich dabei jedoch um zwei Hörner. Denn bis auf die Wiener Philharmoniker spielen nahezu alle Opernorchester das Doppelhorn. Gut, wenn man von den Stücken absieht, die eine historische Aufführungspraxis verlangen. Dann fällt die Wahl aufs Naturhorn. Auf dem erzeugt der Spieler/die Spielerin die Töne allein mit den Lippen und mit einer Hand, die im Trichter verschwindet und dort den Ton quasi modelliert. Um noch mal zu den Wienern zu kommen: Die pflegen ihren eigenen Hörner-Klang. Darum schwören die Wiener Philharmoniker auch auf ihr eigenes Horn, genannt "Wiener Horn". Dabei handelt es sich um eine spezielle Bauform des Waldhorns.
Bei allen anderen ist hingegen im Regelfall das Doppelhorn angesagt. Da bekommt man tatsächlich zwei Hörnerstimmungen auf einmal: Und das bedeutet: Das Doppelhorn vereint das F-Horn und das B-Horn in einem Instrument. Würde man es auseinanderrollen, käme man bei diesem Doppelpack auf vier Meter Messingschlauch! Mit seinen vier Ventilen lässt sich ein Tonumfang von nahezu vier Oktaven stemmen. Wobei drei Ventile tatsächlich die Töne markieren und das Vierte ist der "Schalter" von B nach F, erklärt Milena Viotti. Das A und O beim Hornspielen sind nicht so sehr flinke Finger auf den Ventilen, sondern die Mundwerkzeuge in Kombination mit dem Mundstück.
Überhaupt ist das Mundstück auch sowas wie die "Privatsphäre" am Horn. Jeder Hornist, jede Hornistin hat sein persönliches Mundstück oder auch mehrere mit unterschiedlichen Bohrungen und verschieden dicken Rändern. Milena Viotti hat nur eins. "Wenn ich übe, beginne ich immer mit Mundstückübungen", sagt sie. Sie schließt die Lippen um den goldenen Rand des etwa 8 cm langen Mini-Trichters und spannt sie an. Mit den Lippen spürt sie das kalte Metall. Und dann tönt es aus der kleinen Hupe, erstaunlich melodisch. Mit einer kurzen Melodie klettert sie Tonleiter nach oben und wärmt dabei die Lippen und die Muskulatur rundherum auf.
"Wir machen einen Stoß mit der Spitze der Zunge – man kann den auch weicher machen, wie ein D. Je nachdem, wie stark man stößt, kann man Akzente setzen", beschreibt Milena Viotti das, was sie täglich macht. Wird's dann richtig schnell, dann flattert die Zunge zwischen Zähnen und Lippe und wie Schrotkugeln schießen die Töne aus dem Trichter! Allein mit dem Mundstück lassen sich übrigens theoretisch alle Hornstücke spielen, egal ob vom absoluten Hornkenner Richard Strauss oder das Siegfried-Signal von Richard Wagner. Klanglich erinnert das dann allerdings eher an eine virtuos gespielte Vuvuzela.
Das Horn ist übrigens der perfekte Reisebegleiter, weil es im Grunde ein Bausatz ist: Trichter und Mundstück lassen sich abschrauben und schon passt es wunderbar in einen Rucksack (gilt allerdings nur für das Doppelhorn!).
Ach ja, dann ist da noch was: Das Horn hat einen kleinen Bügel, der gelegentlich, auch während des Konzerts entfernt und…ausgeleert werden muss. Dann bildet sich beim Hornisten, der Hornistin auf dem Boden eine kleine Wasserlache. "Man sagt, das ist Wasser, aber es ist Spucke. Weil wir ja blasen, da kommt dann schon was aus dem Mund mit", sagt Milena Viotti und lacht. "Es ist nicht charmant. Aber wenn wir es nicht tun, dann tuckert es im Instrument!".
Wer Horn spielen will, kann früh loslegen. In Asien kommt es sogar vor, dass Kinder mit vier oder fünf Jahren mit dem Hornspielen beginnen, das sind dann kleine Instrumente, die eher an Weihnachtsbaumschmuck erinnern. Es ist aber keinesfalls ein Muss, wenn man hoch hinaus will mit dem Instrument. Milena Viotti von den Munich Opera Horns hat mit acht Jahren begonnen und eine der berühmtesten Hornistinnen, Marie-Luise Neunecker sogar erst mit 18 Jahren. Kurz: Wer Fleiß mitbringt und ein wenig Begabung, kann auch als Erwachsener mit dem Horn beginnen. Und bald schon kleine Erfolgserlebnisse einfahren, die übers Jägerlatein wie "Halali" oder "Die Sau ist tot" hinausgehen.
Das Horn ist nicht nur was für Männer. Immer mehr Hornistinnen kommen in die Orchester und das hat Tradition. Die erste Musikerin in einem Profiorchester war …. eine Hornistin. "Die erste Hornistin in einem Profi-Orchester war Ellen Stone – sie kam ungefähr 1935 oder 1937 zum Pittsburgh Symphony Orchestra", erzählt Milena Viotti.
Ach ja. Und wer sich schon immer gefragt hat, ob man vom Hornspielen Hornhaut bekommt: nein! Weder an der Lippe, noch an den Fingern.
Sendung: "Allegro" am 20. September 2023 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (3)
Dienstag, 03.Oktober, 14:34 Uhr
Cord Elias
Definition "Blechblasinstrument"
Als Horn spielender Ingenieur habe ich auch eine kleine Korrektur:
Als Blechblasinstrument bezeichnet man eigentlich Instrumente, bei denen der "Generator" für die Tonerzeugung die (schwingenden) Lippen der Spielerin / des Spieler sind. Das Material, aus dem das Instrument gefertigt ist, spielt für diese Einteilung keine Rolle. Z.B. ist ein Saxophon (Material: Messing) ein Holzblasintrument (Generator: Rohrblatt), ein Alphorn (üblicherweise aus Holz gefertigt, aber auch aus Carbonfaser erhältlich) hingegen ein Blechblasinstrument, wie auch ein Naturhorn oder Ventilhorn aus Messing.
Samstag, 30.September, 22:43 Uhr
Helmut Sablewski
Spucke im Horn
Als Posaune spielender Ingenieur muß ich in einem Detail ein wenig widersprechen.
Bei der Flüssigkeit in unseren Blechblasinstrumenten handelt es sich vorwiegend um Kondenswasser, welches aus der Feuchtigkeit unseres warmen Atems an dem kühleren Metall unserer Instrumente entsteht.
Wir machen auch daher die Erfahrung, daß bei kalten Umgebungstemperaturen viel mehr davon entsteht, wohingegen sich bei sehr hohen Temperaturen überhaupt kein Wasser mehr im Instrument ansammelt, wie ich es einst bei einem Bigbandauftritt bei 38°C feststellen konnte.
Der instinktive Griff zur Wasserklappe ergab nicht ein einziges Tröpfchen!
Sicherlich befinden sich im Kondenswasser Spuren aus unserem Speichel, aber Hauptbestandteil ist dieser sicherlich nicht in der Pfütze unter unserem Notenpult.?
Horn ist ein tolles Instrument, und als fortgeschrittener Amateur findet man eigentlich immer ein Ensemble, wo Hörner gefragt sind. Nur in wenigen Bands sind Hörner unüblich. (Bigband oder Bläsersatz in Bands)
Samstag, 30.September, 13:44 Uhr
Andrew Joy
Kondensation.
98% Kondensation. 2% Speichel. Und diese 2% sammelt sich im Mundrohr.