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Brittens "Peter Grimes" an der Bayerischen Staatsoper Alle gegen einen

Seit der erfolgreichen Uraufführung 1945 in London gehört "Peter Grimes" zu Brittens zentralen Werken. Die Bayerische Staatsoper bringt jetzt eine Neuproduktion der Oper. Stuart Skelton singt die Titelpartie, Edward Gardner dirigiert und der Regisseur Stefan Herheim gibt sein Hausdebüt.

Bildquelle: Bayerische Staatsoper/W. Hösl

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"Peter heißt eigentlich Felsen, auf dem auch die Kirche gebaut wurde. Und Grimes ist nichts anderes als Dreck. und genau zwischen dieser Polarität Engel und Teufel schwebt die Titelfigur in Benjamin Britten Oper. Und diese Figur diene für die Gemeinde als eine Art Mülltüte, in die alles reingeworfen wird, draufprojiziert wird, wenn es darum geht, einen Sündenbock zu finden, für alles, wovor die Menschen Angst haben Angst hätten - so beschreibt Regisseur Stefan Herheim die fast ausweglose Situation für den Titelhelden.

Das Meer als heimliche Hauptrolle

Herheim inszeniert die Oper in einem spektakulären Bühnenbild, das Silke Bauer entworfen hat. Ein großes, graues, hölzernes Tonnengewölbe, das sehr beweglich ist und verschiedenste Räume eröffnen kann: Ein Theater, eine Kirche, einen Versammlungsraum, eine Fischerkneipe. Und immer wieder gibt das Bühnenbild den Blick auf das Meer frei. Es spielt die geheime Hauptrolle im Stück, als raue, unbezwingbare, aber eben auch wunderschöne Naturgewalt. Für Brittens Leben war das Meer essentiell. In den berühmten „Interludes“, den symphonischen Zwischenspielen, hat er es in seiner ganzen schillernden Vielfalt gezeigt.

Die Inszenierung in Bildern

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Alle gegen einen. So lässt sich das Schicksal von Peter Grimes zusammenfassen, dem Titelhelden der gleichnamigen Oper von Benjamin Britten. Spätestens seit der junge Lehrling des Fischers Grimes unter ungeklärten Umständen ums Leben kam, hat er das kleine Fischerdörfchen an der englischen Ostküste gegen sich aufgebracht. Er wird des Mordes beschuldigt, erhält aber keine wirkliche Verhandlung. Als sein neuer Lehrling plötzlich wieder verschwindet, machen sich die Dorfbewohner auf zu Lynchjustiz. Britten schrieb die Oper während des zweiten Weltkriegs, inspiriert von einem Gedicht von George Crabb.

Stuart Skelton als Peter Grimes

Vielschichtig ist auch Peter Grimes. Stuart Skelton hat ihn schon oft gesungen. Für den australischen Heldentenor ist Grimes der universelle Außenseiter: "Solange es Menschen gibt, können wir dieses Konzept beobachten: Wenn es mehr als eine Person gibt, gibt es einen Außenseiter. In diesem speziellen Fall ist er der Außenseiter, weil alle Dorfbewohner für sich beschlossen haben: Wir können nur überleben, wenn wir auf ihn unser böses moralisches Scheinwerferlicht richten. Wenn wir uns auf ihn konzentrieren, werden wir gerettet. Drum ist er der universelle Außenseiter.“

Peter Grimes ist der universelle Außenseiter.
Sänger Stuart Skelton

Rachel Willis-Sörensen debütiert als Ellen

Die einzige Figur, die sich dieses Außenseiters annimmt, ist Ellen. Ein besonderer Charakter, auch für Rachel Willis-Sörensen, die die Partie zum ersten Mal singt. Diese Ellen habe ein riesengroßes Herz und wolle die ganze Welt retten mit ihrer Liebe. "Sie liebt Peter Grimes, aber ich glaube, dass diese Liebe nicht notwendigerweise romantisch ist. Sondern sie möchte ihn retten und sie glaubt, sie kann das schaffen.“

Hochaktueller Stoff

Szene aus "Peter Grimes" an der Bayerischen Staatsoper | Bildquelle: Wilfried Hösl Szene aus "Peter Grimes" in der Inszenierung vom Stefan Herheim an der Bayerischen Staatsoper | Bildquelle: Wilfried Hösl Für Stefan Herheim ist es kein Zufall, dass Peter Grimes momentan so oft aufgeführt wird. Denn vielleicht war es nie so leicht und so verbreitet, sich in Gruppen abzugrenzen und andere auszugrenzen, und dabei taub gegenüber den Andersdenkenden zu sein, wie heute. Trotzdem gibt es für ihn Hoffnung, dass die Utopie des Miteinanders Realität wird.

Grimes ist für den Regisseur ein Prüfstein der eigenen Toleranz. Die Kunst versuche seit Jahrhunderten, uns diese Utopie zu vergegenwärtigen. "In der Kunst können wir diese Utopie ein Stück weit Realität werden lassen. Deswegen liebe ich auch das Theater. Für mich ist Theater deswegen eine spirituelle, kollektive Verschmelzung von dieser Grundidee, dass wir eigentlich viel, viel mehr gemeinsam haben, als das, was uns auseinander dividiert. Und dass wir endlich mal lernen müssten, aus dieser Haltung heraus zu verstehen, dass wir gemeinsam viel stärker wären."

In der Kunst können wir diese Utopie ein Stück weit Realität werden lassen.
Regisseur Stefan Herheim

Info

"Peter Grimes" von Benjamin Britton hat am 6. März 2022 Premiere an der Bayerischen Staatsoper. BR-KLASSIK ist live dabei: ab 18:00 Uhr im Videostream und im Radio. Weitere Informationen, Tickets und Termine auf der Website des Bayerischen Staatsoper.

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