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Ein Musiksoziologe klärt auf Woher kommt unser musikalischer Geschmack?

Der eine mag gern Opernarien, der andere steht auf Streichquartette, wieder andere sind Jazzliebhaber. Aber woher kommt eigentlich unsere Vorliebe für eine bestimmte Musik? Im Wissens-Podcast KOSMOS MUSIK geht die Astrophysikerin Suzanna Randall dieser Frage nach. Ihr Gast ist der Musiksoziologe Michael Huber aus Wien.

Die Schweizer Frauen-Metalband Burning Witches bei einem Konzert | Bildquelle: picture alliance / imageBROKER | Oliver Gutfleisch

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Ich höre gern Pop- und Rockmusik der 80er und 90er Jahre. Auch klassische Musik mag ich ganz gern. Techno dagegen geht für mich gar nicht. Damit uns Musik gefällt, muss sie uns anregen, erklärt mir Michael Huber vom Wiener Institut für Musiksoziologie im Podcast-Gespräch. Die Musik darf für uns nicht zu banal, aber auch nicht zu komplex sein.

Erfahrungen in der Jugend prägen den Musikgeschmack

Unser Musikgeschmack wird vor allem in der Jugend entscheidend geprägt, sagt Michael Huber. "In dieser Phase ist Musik besonders wirksam und hinterlässt besonders starke Eindrücke. Wenn du mit einer bestimmten Musik angenehme Erlebnisse hattest , die erste Liebe etwa, dann wird dich das dein Leben lang begleiten." Der Freundeskreis in der Jugendzeit hat einen großen Einfluss auf den Musikgeschmack.

Wer eine hohe Bildung hat, hört oft Klassik

Aber auch das eigene Elternhaus kann meine musikalischen Neigungen mitprägen. "Wenn du Eltern hast, die Musik lieben und mit Musik leben, die vielleicht ein Instrument spielen oder im Chor singen, dann wird das wahrscheinlich auf dich als Kind einen großen Eindruck hinterlassen." Dem kann ich nur zustimmen. Mein Vater hat mich schon als Kind in klassische Konzerte mitgenommen und ich hatte Klavierunterricht. Deshalb ist mir klassische Musik heute vertraut. Es sind vor allem Mittelschichtsfamilien, die die Bereitschaft haben, Geld und Zeit in die musikalische Ausbildung ihrer Kinder zu investieren. Wer eine hohe Schulbildung hat, hört recht oft Klassische Musik oder Jazz, der geht auch öfter in Konzerte und hat mit höherer Wahrscheinlichkeit ein Instrument gelernt.

Musikalische Vorlieben in Österreich: Oldies, Volksmusik und Klassik

Eine junge Frau liegt in einer Wohnung auf der Couch und hört Musik über ihr Smartphone (gestellte Szene). | Bildquelle: Christin Klose, (c) picture alliance / dpa Themendienst Österreicherinnen und Österreicher hören besonders gern Oldies, Schlager und Volksmusik - so das Ergebnis einer Wiener Studie. | Bildquelle: Christin Klose, (c) picture alliance / dpa Themendienst Das zeigen auch die Ergebnisse einer Studie, die Michael Huber am Institut für Musiksoziologie in Wien durchgeführt hat. Dabei hat Huber sich den musikalischen Geschmack in Österreich mal genauer angeschaut. Interessant: Am liebsten hören Österreicherinnen und Österreicher Oldies, Schlager und Volksmusik. "Auch klassische Musik ist relativ beliebt in Österreich, vielleicht stärker als in anderen Ländern." Auffällige Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt es beim Musik hören nicht. Aber dafür beim Musizieren: Österreicherinnen singen mehr als Österreicher. Und noch etwas stellte Michel Huber fest: Der Musikgeschmack der Österreicher*innen hängt mit dem Wohnort zusammen. "Volkstümlicher Schlager und Blasmusik werden auf dem Land viel stärker gehört, weil diese Musik dort im Alltagsleben und in der Kultur viel stärker stattfindet. In der Stadt wiederum, wo viele junge Menschen wohnen, wird dann auch eher elektronische Musik und Hip-Hop gehört."

KOSMOS MUSIK : NEUER WISSENS-PODCAST MIT SUZANNA RANDALL

Warum ist Singen gut fürs Immunsystem? Wie klingt das Weltall? Und wie musizierten die Menschen in der Steinzeit? Auf diese und andere spannende Fragen antwortet der neue Wissens-Podcast "Kosmos Musik" mit der Astrophysikerin und angehenden Astronautin Suzanna Randall. Jede Woche donnerstags eine neue Folge: bei BR Podcast, in der ARD Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt.

Wie musikalischer Geschmack mit unserem sozialen Status zusammenhängt

Der französische Soziologe Pierre Bourdieu hat bereits in den 1970er Jahren die These aufgestellt, dass unser musikalischer Geschmack eng mit unserem Lebensstil und unserer sozialen Klasse zusammenhängt. In seinem Buch "Die feinen Unterschiede" unterscheidet Bourdieu drei Dimensionen des Geschmacks: Der "legitime Geschmack" der "herrschenden Klasse" zeigt sich laut Bourdieu etwa in einer Vorliebe für klassische Musik. Menschen in mittleren Berufspositionen haben demnach einen "mittleren Geschmack" und hören beispielsweise eher Musik von Gershwin. Der Arbeiterklasse teilt Bourdieu den "populären Geschmack" zu, mit dem Konsum von "leichten" Werken und Schlagern. Doch Michael Huber warnt vor falschen Rückschlüssen: "Dass Arbeiterkinder nie klassische Musik hören werden oder dass jemand aus einer gutbürgerlichen Hamburger Unternehmerfamilie mit Sicherheit ein Opern-Abo haben wird, diese Eins-zu-Eins-Kausalitäten stimmen niemals!"

Vielfältiger Geschmack durch das Internet

Michael Huber beobachtet, dass immer mehr Menschen ganz viele unterschiedliche Musikstile mögen. Denn durch das Internet können wir heute einfach viel mehr Musikrichtungen kennen lernen. Wir werden sozusagen immer mehr zu "musikalischen Allesfressern". Der Musiksoziologe sieht das positiv: "Musik ist so etwas Schönes. Und wenn man mehr Musik kennenlernt, mag und praktiziert, kann das nur gut sein, finde ich."

Sendung: "Allegro" am 24. März 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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