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Rollendebut am Gärtnerplatztheater Sophie Rennert als Carmen

Soviel darf Mezzosopranistin Sophie Rennert schon vor der Premiere sagen: Die neue "Carmen" am Münchner Gärtnerplatztheater wird ein Spektakel: eine Mischung aus intimen Szenen und großen Chorszenen. Rennert singt die Rolle der Carmen zum ersten Mal.

Mezzosopranistin Sophie Rennert | Bildquelle: Pia Clodi

Bildquelle: Pia Clodi

Michael Atzinger: Premierenstimmung liegt in der Luft am Münchner Gärtnerplatztheater. Frau Rennert, Sie sind die neue Carmen. Wie oft haben Sie die Partie schon gesungen?

Sophie Rennert: Das ist ein Rollendebüt. Tatsächlich ist das meine allererste Carmen, und ich freue mich sehr darauf.

Michael Atzinger: Wahrscheinlich gibt es keine weibliche Opernfigur, über die mehr geschrieben und die gründlicher analysiert worden ist. Wie haben Sie sich ihr angenähert?

Sophie Rennert: Ich beschäftige mich mit dem Stück und der Figur gefühlt, seit ich denken kann. Deswegen habe ich viele Versionen, Gedanken und Einflüsse im Kopf. Im Endeffekt habe ich mich darauf konzentriert, Carmen als eine sehr freiheitsliebende und selbstbestimmte Frau darzustellen. Ich denke, das macht die Geschichte auch zu einem modernen Inhalt.

Michael Atzinger: Das ist also die Charakterisierung. Mit welchen Adjektiven würden Sie sie beschreiben? Freiheitsliebend, selbstbestimmt...

Sophie Rennert: Vielleicht auch hoffnungsvoll, auch wenn es am Ende für sie nicht gut ausgeht. Ich denke, es schwingt immer eine gewisse Hoffnung mit.

Michael Atzinger: Worin liegt ihre Freiheit?

Sophie Rennert: Ich glaube, dass wir immer dieses Todesmotiv dabei haben und dass Carmen sich dessen sehr bewusst ist – dass dieser Tod kommen wird und unvermeidbar ist. Das gibt ihr eine gewisse Freiheit im Leben. Das klingt paradox, aber jeder, der schon einmal mit dem Tod konfrontiert wurde, hat vielleicht erfahren, dass man dadurch eine ganz andere Beziehung zum Hier und Jetzt entwickelt und mehr im Moment lebt.

Warum muss Carmen sterben?

Michael Atzinger: Ehrlichkeit würde mir auch noch als Charakterisierung einfallen. Sind Sie damit einverstanden?

Sophie Rennert: Ja, sehr einverstanden. Ehrlichkeit, Direktheit – und sie kann sich nicht verstellen, das will und kann sie auch gar nicht.

Michael Atzinger: Warum muss Carmen sterben, Frau Rennert?

Sophie Rennert: Das ist eine sehr gute Frage und gar nicht so einfach zu beantworten. Im Endeffekt ist es ein Femizid, ein Frauenmord, wie er auch heute leider noch sehr oft vorkommt. Ich denke, dass Carmen kein Opfer und nicht schuld ist. Die Schuld liegt bei Don José, der in dem Moment keinen anderen Ausweg sieht, als sie zu töten – was natürlich schrecklich ist.

Michael Atzinger: Es gibt ja Deutungen, die sagen, Carmen provoziere ihren Tod, sodass es eine Art provozierter Selbstmord ist. Was glauben Sie?

Sophie Rennert: Das glaube ich persönlich nicht. Natürlich kann jeder seine eigene Interpretation haben. Ich denke, sie geht mit einer Gewissheit in die Situation, dass es passieren wird, aber ich glaube nicht, dass sie es darauf anlegt.

Michael Atzinger: Was fasziniert Sie an der Rolle – musikalisch gesehen?

Sophie Rennert: Mich fasziniert, dass alle Facetten ausgeleuchtet werden, von hochdramatisch bis sehr intim. Es gibt eine große Bandbreite an effektvollen, aber auch sehr emotionalen und introvertierten Momenten. Das musikalisch und stimmlich zu zeichnen, ist eine wunderbare Herausforderung.

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"Georges Bizet: Jeux dènfants." Er ist vor allem als Schöpfer der "Carmen" bekannt. Dabei schuf Georges Bizet auch großartige Musik für das Klavier: Etwa 1871 den zwölfteiligen Zyklus "Jeux d'enfants" für Klavier zu vier Händen.

Sophie Rennert über die stimmliche Herausforderung

Michael Atzinger: Und was ist die größte Herausforderung stimmlich?

Sophie Rennert: Ich denke, die größte stimmliche Herausforderung ist im dritten Akt die Karten-Arie. Nach all den effektvollen, extrovertierten Momenten sieht man fast zum ersten Mal die Zerbrechlichkeit der Figur. Da liegt der Fokus plötzlich nur auf ihr, und diese Zerbrechlichkeit in einem fast leeren Raum zu transportieren, ist eine große Herausforderung – aber wahnsinnig spannend.

Michael Atzinger: Da kippt die Stimmung auch so plötzlich.

Sophie Rennert: Genau, das ist für uns auf der Bühne und für das Publikum wahrscheinlich sehr spannend.

Inszenierung entführt in die 1940er Jahre

Michael Atzinger: Frau Rennert, was passiert in der Neuinszenierung am Gärtnerplatztheater? Dürfen Sie ein bisschen plaudern?

Mezzosopranistin Sophie Rennert | Bildquelle: Pia Clodi Gibt ihr Debüt als Carmen: Mezzosopranistin Sophie Renner | Bildquelle: Pia Clodi Sophie Rennert: Ja, ein bisschen darf ich plaudern. Herbert Föttinger hat das Ganze in den 40er-Jahren in der Franco-Ära angelegt. Das zeigt sich auch in der Ausstattung und den wunderbaren Kostümen. Föttinger konzentriert sich auf die Beziehungen, auf die psychologischen Zusammenhänge und darauf, die Geschichte einfach zu erzählen. Ich finde das sehr schön, denn letztlich sind wir Theaterleute dafür da, dem Publikum Geschichten zu erzählen. Ich denke, das Publikum kann sich darauf freuen, diese Figuren und ihre Beziehungen zu sehen und sich vielleicht hineinzufühlen.

Michael Atzinger: Das Münchner Gärtnerplatztheater ist in letzter Zeit dafür bekannt geworden, dass die Inszenierungen reduzierter sind. Was sehen wir auf der Bühne bei so einer "kulinarischen" Oper?

Sophie Rennert: Kulinarische Oper gefällt mir gut. Es wird natürlich ein Spektakel sein, und es wird eine wunderbare Mischung aus intimen Szenen und großen Chorszenen geben. Es wird Tanz, tolle Kostüme und Licht geben. Ich denke, es ist für jeden Geschmack etwas dabei, und es wartet ein großes Spektakel auf das Publikum.

Es wird eine wunderbare Mischung aus intimen Szenen und großen Chorszenen geben.
Sophie Renner über die Carmen-Inszenierung am Gärtnerplatztheater

Michael Atzinger: Ich habe gehört, es gibt neue gesprochene Dialoge. Was heißt das genau?

Sophie Rennert: Herbert Föttinger hat aus den originalen französischen Dialogen eine reduzierte, modernere Fassung auf Französisch kreiiert, die wir gemeinsam erarbeitet haben. Ich glaube, das funktioniert sehr gut.

Michael Atzinger: "Carmen" am Staatstheater am Gärtnerplatz in München, Premiere ist am Freitag mit Sophie Rennert in der Titelrolle. Frau Rennert, alles Gute für Sie. Ich wünsche Ihnen eine tolle Premiere, toi toi toi und vielen Dank für das Gespräch.

Sophie Rennert: Vielen herzlichen Dank!

"Carmen" von George Bizet am Münchner Gärtnerplatztheater

Premiere: Freitag, 18. Oktober 2024, 19:00 Uhr

Regie: Herbert Flöttinger
Musikalische Leitung: Rubén Dubrovsky
Carmen: Sophie Renner
Don José: Lucian Krasznec

Sendung: "Allegro" am 15. Oktober 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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