Die BBC Singers sind der einzige Chor der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt in Großbritannien. Im Rahmen eines Sparprozesses hat die BBC nun angekündigt, das Ensemble aufzulösen, um 20 Arbeitsplätze zu streichen. Auch die fünf Orchester sind von Kürzungen und vom Stellenabbau betroffen. Auf der anderen Seite will die BBC eine gemeinsame digitale Plattform für alle Klangkörper einrichten und ihre Mittel für musikalische Bildungsarbeit verdoppeln. Der Verlust des Chores wird nun als kultureller Kahlschlag kritsiert.
Bildquelle: © BBC Singers Sofi Jeannin
Zum 90. Geburtstag produzierte die BBC noch einen Glückwunsch-Film für die BBC Singers. Langjährige Chormitglieder sprachen über ihre Liebe zur Arbeit, zu ihrem Ensemble und das erhebende Gefühl, mit der eigenen Stimme zu einem vollen Klang beizutragen.
Doch kurz vor dem 100. Geburtstag hat die BBC nun das Aus für den weltweit renommierten Kammerchor angekündigt. Die Singers waren Stammgast bei den BBC Proms und in Konzertsälen auf der ganzen Welt. Sie singen nicht nur Klassik, sondern auch Stücke von den Pet Shop Boys bis Katie Melua. In seiner 99-jährigen Geschichte hat das Ensemble mehr als 100 neue Werke aufgeführt, darunter Musik von Benjamin Britten, Pierre Boulez oder Judith Weir.
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BBC Singers 90th Birthday Film
Der Leiter des Bereichs "BBC Orchester und Chöre", Simon Webb, begründet in der BBC-Sendung "Front Row" das Aus für die Singers und andere Einschnitte im Orchesterbereich mit Spardruck. Um weniger Geld auszugeben, habe man sich für eine neue Strategie entschieden: "Wir wollen unser Publikum an verschiedenen Orten erreichen, auch dort, wo wir noch nicht sind", sagt Simon Webb. Zur neuen Strategie gehöre es außerdem, agile Ensembles zu schaffen und mit mehr regionalen Künstlerinnen und Musikern in ganz Großbritannien zusammenzuarbeiten. "Wir wollen die Einsparungen möglichst kreativ gestalten", so Webb. Aber entscheidend: Man habe schlicht nicht mehr das Geld, weiterzumachen wie bisher.
Die BBC ist der größte Arbeitgeber für Musiker:innen im Vereinigten Königreich. Manche sprechen davon, die zitierten "agilen Ensembles" seien ein Euphemismus für künftige prekäre Arbeitsverhältnisse. Klangkörper-Chef Simon Webb weist das zurück, muss aber Sparvorgaben in Höhe von 20 Prozent seines Etats umsetzen. Er bedauert die harten Einschnitte, bietet den zuständigen Gewerkschaften aber Gespräche an.
Unsere Pläne liegen auf dem Tisch, jetzt müssen wir drüber reden.
Dass die BBC Singers doch verschont bleiben könnten, scheint aber eher unwahrscheinlich. Noch ist nicht bekannt, wann sie verstummen sollen. Bei Twitter formiert sich derweil ein Sturm der Entrüstung. Der Chor wird als einzigartig und unersetzlich gelobt. Der Dirigent Leo Hussain, der auch mit den BBC Singers arbeitet, schrieb etwa: "Wo auch immer ich in der Welt mit Amateur-Chören arbeite, erwähnen alle immer die BBC Singers und wie sehr sie diesen professionellen Chor bewundern. Die BBC unterschätzt das internationale Prestige und die Anerkennung, die ihre Ensembles ihr bringen."
Und diese Frage stellen sich viele – stimmt da die Kosten-Nutzen-Rechnung? Ist die Abschaffung dieser 20 Arbeitsplätze, die das Ensemble gerade mal umfasst, wirklich bedeutend für den Sparprozess? Der Rapper und Jazz-Musiker Soweto Kinch, der selbst für die BBC komponiert und produziert, wittert hinter der BBC-Ankündigung dasselbe Missverständnis, wie hinter den Kürzungen des staatlichen Arts Councils für renommierte Einrichtungen, die Ende vergangenen Jahres Schlagzeilen machten. Da werde dieses falsche Narrativ erzeugt, dass man neues Publikum nur erreichen könne, wenn man Mittel für festangestellte professionelle Künstler streicht, sagt Kinch. "Als könne man manche Communitys nur ansprechen, wenn man Standards senkt. Wie sollen sich junge Menschen denn für eine künstlerische Karriere entscheiden, wenn die sicheren Jobs immer weniger werden?"
Dabei will die BBC nach Abwicklung des Chors gezielt ein Talent-Programm für Chor-Nachwuchs aufsetzen. Naomi Pohl von der Musikergewerkschaft MU möchte aber erstmal um jeden bestehenden Job kämpfen – es müsse andere Sparmöglichkeiten geben.
Sendung: "Allegro" am 9. März 2023 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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