Roland Böer wird im Herbst neuer Generalmusikdirektor der Staatsphilharmonie Nürnberg. Er folgt damit Joana Mallwitz. Böer wird für eine Übergangsphase engagiert: für zwei Spielzeiten, bis Ensemble und Beschäftigte aus dem renovierungsbedürftigen Opernhaus ausziehen müssen. Eine Herausforderung. Doch die nimmt Roland Böer gerne an, wie er im BR-KLASSIK-Interview verrät. Schon jetzt am Freitag dirigiert Roland Böer bei der Staatsphilharmonie Nürnberg – und zwar ein außergewöhnliches Programm.
Bildquelle: Barbara Aumüller
BR-KLASSIK: Herr Böer, wenn ich mir Ihre Vita so anschaue, fallen mir zwei Begriffe ein: Vielfalt und Ermutigung. Sie haben schon als Kind und Jugendlicher eine Vielfalt von musikalischen Interessen verfolgt. Und Sie sind wohl nicht gebremst, sondern immer eher ermutigt worden, diese Interessen auch wahrzunehmen – zum Beispiel gleich eine ganze Reihe von Instrumenten auszuprobieren.
Roland Böer: Ich muss wirklich sagen: Ich hatte da viel Glück. Dabei waren meine Eltern keine Berufsmusiker – aber sehr enthusiastisch. Bei uns wurde viel musiziert. Und tatsächlich habe ich vor allen Dingen durch meine Eltern, aber auch später in der Grundschule und im Gymnasium Ermutigung erfahren. Ich hatte immer das Gefühl, einen Freiraum oder Rückzugsraum vorzufinden, in dem ich auch erst mal Dinge ausprobieren durfte. Das zog sich im Grunde bis zu meinem Dirigierstudium hin. Weil ich parallel noch mit Komposition angefangen hatte, musste ich mir ein Orchesterinstrument aussuchen und es wie ein Anfänger von vorne beginnen. Da habe ich mir das Horn ausgewählt. Also, dieses neu beginnen dürfen und sich nicht zu schämen brauchen, immer wieder die ersten Schritte zu wagen, hatte einen ganz besonderen Reiz für mich.
BR-KLASSIK: Sie waren zwölf Jahre lang der Künstlerische Leiter einer ganz besonderen Sommerakademie, nämlich des Cantiere Internazionale d'Arte in Montepulciano in der Toskana. Das ist eine Musikwerkstatt, die von Hans Werner Henze in den 70er-Jahren gegründet worden war. Was war Ihnen daran wichtig?
Roland Böer beim Dirigieren | Bildquelle: Barbara Aumüller Roland Böer: Die solidarische Zusammenarbeit zwischen international renommierten Künstlern, die als Gäste nach Montepulciano kommen und dem dortigen Chor, dem Schulorchester, der Musikschule, mit Theatergruppen, Tanzschulen usw. Das Ganze hatte eben einen ganz starken soziokulturellen Hintergrund. Henze ging es ja nicht darum, dass die Kinder unbedingt Flöte und Geige lernen. Ihm ging es vor allen Dingen darum, dass die jungen Menschen andere Qualitäten lernen: sich gegenseitig Respekt zu zollen, einander zuzuhören, aber auch Initiative zu ergreifen, wenn es notwendig ist, und Verantwortung zu übernehmen. Das sind alles Qualitäten, die uns am Ende zu Mitgliedern einer besseren Gesellschaft machen.
Ich scheue keine Herausforderungen.
BR-KLASSIK: Herr Böer, Sie werden im Herbst als Nachfolger von Joana Mallwitz neuer Chefdirigent der Staatsphilharmonie Nürnberg. Offiziell heißt es, Sie begleiten das Orchester des Staatstheaters Nürnberg in der zweijährigen Übergangsphase bis zum Beginn des Bauvorhabens Opernhaus als Generalmusikdirektor. Im Herbst 2025 soll mit der Sanierung begonnen werden. Das Staatstheater zieht vorübergehend in die Kongresshalle um. Sie scheinen große Herausforderungen zu lieben.
Roland Böer: Zumindest scheue ich sie nicht. Eigentlich inspirieren mich besondere Herausforderungen immer sehr. Wir sind zum Beispiel oft dabei, den ein oder anderen neuen Spielort in Nürnberg zu erkunden. Und ich lade unser Publikum ein, vielleicht auch den einen oder anderen Schritt mal zu einem Ort zu wagen, der als Konzertsaal noch nicht so bekannt ist.
BR-KLASSIK: Sie haben in Nürnberg schon Opernproduktionen geleitet. Jetzt stehen Sie in der Meistersingerhalle beim vierten Philharmonischen Konzert am Pult – mit durchaus ungewöhnlichen Programm: darunter das Schlagzeugkonzert von Friedrich Cerha, der gestern im Alter von 96 Jahren verstorben ist, und Musik von Emilie Mayer. War ihre Musik auch für Sie eine Neuentdeckung?
Roland Böer: Zumindest die "Faust-Ouvertüre" von ihr war mir nur vom Titel her ein Begriff. Allerdings hatte ich im Zuge der zwei, drei Jahre zurückliegenden Wiederentdeckung von Emilie Mayer doch das ein oder andere gehört. Und ich muss sagen: Ich war frappiert und beglückt über die wahnsinnig hohe Qualität und Farbigkeit ihrer Musik. Es ist symphonische Musik.
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Einführung Online: 4. Philharmonisches Konzert | Staatstheater Nürnberg
Freitag, 17. Februar 2023 um 20 Uhr
mit Werken von Friedrich Cerha, Emilie Mayer und Peter Tschaikowsky
Meistersingerhalle, Nürnberg
Staatsphilharmonie Nürnberg
Perkussion: Christoph Sietzen
Dirigent: Roland Böer
Alle Infos zum Konzert finden Sie hier.
Sendung: "Allegro" am 15. Februar 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK