Geimpft, genesen, getestet – das sind die Zauberwörter für die kulturellen Veranstaltungen dieses Festspielsommers. Salzburg, das auch 2020 als einzige große Festivalstadt gespielt hat, darf sogar seine Häuser füllen wie vor der Pandemie. Am 17. Juli begannen die Sommerfestspiele an der Salzach.
Bildquelle: BR/Herbert Ebner
Als Leuchtturmprojekt sind die Salzburger Festspiele vor über hundert Jahren gegründet worden, in dunklen Zeiten nach dem Ersten Weltkrieg. Und gerade jetzt, im übergroßen Schatten der Corona-Pandemie, will er ein vitales Zeichen für die Kraft der Kunst setzen, sagt Intendant Markus Hinterhäuser im Interview mit BR-KLASSIK: "Die große Gefahr ist, dass sich viele Leute die Augen reiben und sagen: War da irgendwas? Gab es ein Orchester in dieser Stadt? Gab es ein Opernhaus oder ein Theater? Brauchen wir das? Nein, eigentlich brauchen wir das nicht. Und das ist sehr gefährlich."
Wir müssen uns klar sein: Das, was wir einmal verlieren, das bekommen wir nicht wieder.
Die Wiederaufnahme von Mozarts "Così fan tutte" unter der Leitung von Joana Mallwitz steht auf dem Programm der Salzburger Festspiele. | Bildquelle: Lutz Edelhoff Markus Hinterhäuser erinnert auch an das überwältigende Gemeinschaftsgefühl, das sich im Sommer 2020 eingestellt hatte. Exemplarisch dafür stand die federleichte, so unangestrengt-tiefsinnige und beglückende "Così fan tutte" von Mozart in der Regie von Christof Loy und unter der Leitung von Joana Mallwitz. Sie wird heuer wiederaufgenommen – wie auch die packende "Elektra" von Richard Strauss mit der litauischen Sopranistin Ausrine Stundyte.
Was ist Gemeinschaft? Nächstenliebe und Gerechtigkeit – hat der Komponist Luigi Nono gesagt. Sein erstes Musiktheaterwerk "Intolleranza 1960" ist ein flammender Appell des Humanismus. Ingo Metzmacher dirigiert ab Mitte August vier Vorstellungen in der Salzburger Felsenreitschule. Einer, der statt Gemeinschaft gerade das Gegenteil, den zügel- und skrupellosen Individualismus predigt, wird dagegen den Opernreigen eröffnen: "Don Giovanni" von Wolfgang Amadeus Mozart – in der Regie von Romeo Castellucci. Am Pult wird Teodor Currentzis stehen. Die Festspielleitung verspricht ihrem Publikum nichts weniger als "ein neues Sehen und Hören der Oper aller Opern".
Lars Eidinger als Titelheld in "Jedermann" | Bildquelle: picture alliance / Karl Schöndorfer Neues Sehen und neues Hören – das gilt auch für das Herzstück der Salzburger Festspiele: Sofern das Wetter mitspielt, werden sich auf dem Domplatz in jeder Vorstellung von Hofmannsthals "Jedermann" 2500 Menschen Seite an Seite lustvoll gruseln. 14 Vorstellungen gibt es – alle sind ausverkauft. Michael Sturminger präsentiert in seiner Neuinszenierung einen frischen Titelhelden: Lars Eidinger. Ein Besetzungscoup – und ein Darsteller, der sich der Tradition bewusst ist, ohne in Ehrfurcht zu erstarren: "Natürlich fühle ich mich privilegiert! Als Lars Eidinger aus Berlin-Marienfelde spiele ich den Jedermann in Salzburg. Das wollte ich mein Leben lang. Und jetzt passiert‘s! Es ist eher so, dass ich Angst habe vor dem Moment, wo das Licht wieder angeht und ich nach Hause fahren muss", so der Schauspieler.
Das wollte ich mein Leben lang. Und jetzt passiert‘s!
Mit kurzen Haaren: Verena Altenberger als "Buhlschaft", hier zusammen mit Lars Eidinger bei einer Fotoprobe | Bildquelle: picture alliance / VOGL-PERSPEKTIVE.AT - Mike Vogl Ihr "Jedermann"-Debüt gibt auch Verena Altenberger als Buhlschaft. Und vermutlich steht zum ersten Mal in der hundertjährigen Geschichte dieses "Spiels vom Sterben eines reichen Mannes" nicht das Kleid der Buhlschaft im Mittelpunkt, sondern die Frisur. Die österreichische Schauspielerin hat sich vor kurzem für eine Rolle als krebskranke Frau eine Glatze rasieren lassen. "Dass das gerade zufälligerweise zusammenfällt, finde ich ganz spannend", sagt Verena Altenberger. "Ich wusste nicht, dass ich mit meinen Haaren eine Debatte auslösen kann. Jetzt mag ich diese Debatte."
Die Salzburger Festspiele stehen bei der Festspielzeit in BR-KLASSIK im Fokus. Folgende Aufführungen werden im Radio übertragen:
28. Juli: "Don Giovanni"-Neuproduktion unter Leitung von Teodor Currentzis
11. August und 27. August: Konzertübertragungen mit dem Mozarteum Orchester
6. September: Konzertübertragung mit dem West-Eastern Divan Orchestra unter Daniel Barenboim
18. August: Konzertübertragung mit dem Ensemble L’arpeggiata
30. August: Konzert mit dem ORF-Radiosymphonieorchester
Außerdem wird es ein Festspielmagazin im BR Fernsehen am 27. Juli geben sowie eine Sonderausgabe von "ttt - titel, thesen, temperamente" im Ersten.
Mirga Gražinytė-Tyla dirigiert Benjamin Brittens "War Requiem" auf der Bühne der Felsenreitschule | Bildquelle: Frans Jansen Frieden wünschen wir uns zur Zeit bestimmt alle. Und dem Frieden gilt‘s ganz besonders in der Eröffnungswoche, bei der "Ouverture spirituelle". Die Dirigentin Mirga Gražinytė-Tyla bringt Benjamin Brittens "War Requiem" auf die Bühne der Felsenreitschule. Und später wird der unermüdliche Friedensmahner Daniel Barenboim mit seinem West-Eastern Divan Orchestra einmal mehr die Botschaft eines neuen, friedlichen Miteinanders aussenden.
Sendung: "Allegro" am 15. Juli 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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