Es gilt als epochales Meisterwerk der 1920er Jahre: "Das Triadische Ballett" von Oskar Schlemmer, ein Ballet méchanique aus Formen und Farben. BR-KLASSIK präsentiert das wegweisende Werk in einer neuen Videoproduktion.
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Die 1920er Jahre – eine Zeit der Innovationen, des Fortschritts, der Beschleunigung. Das Radio brachte die Welt in die Wohnzimmer; Autos und Schnellzüge, gigantische Überseedampfer und Fabrikhallen voller Maschinen ließen die Welt zunehmend mechanisch und entmenschlicht erscheinen. Wie könnte ein Ballett aussehen, das diese Moderne thematisiert? Das fragten sich Albert Burger und Elsa Hötzel, Tänzer an der Königlichen Hofoper in Stuttgart, und erörterten ihre Ideen dazu mit dem Bauhaus-Künstler Oskar Schlemmer. Ergebnis war "Das Triadische Ballett" – ein mechanisches Tanzstück aus Form, Farbe und Bewegung. Vor fast 101 Jahren, am 30. September 1922, wurde es uraufgeführt
Im Rahmen des BR-KLASSIK-Jahresschwerpunkts "1923 – Der wilde Sound der 20er" veröffentlicht BR-KLASSIK Franken Oskar Schlemmers Ballett in einer außergewöhnlichen Marionettenfassung als Videoprojekt für Jung und Alt.
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Oskar Schlemmer verstand sein "Triadisches Ballett" als eine künstlerische Reaktion auf eine Welt der Maschinen. Es ist die Zeit der Abstraktion in der Kunst und so hat sich Oskar Schlemmer vor allen Dingen auf Formen und Farben konzentriert. "Das Triadische Ballett": Trias, Drei - nicht von ungefähr die göttliche Zahl. Es gibt drei Grundformen in unserer Welt, das ist die Kugel, der Kreis und der Quader. Und es gibt drei Grundfarben, Rot, Gelb und Blau, die die Kostüme bestimmen. Um darüber hinaus die Ästhetik einer Maschinen-Welt zu betonen, sollten die Bewegungen der drei Tänzer schematisch und mechanisch erfolgen. Schlussendlich schwebte ihm eine Realisierung ganz ohne menschliche Komponente vor, mit mechanischen Puppen.
Das Mozartfest Würzburg griff in diesem Jahr auf eine besonders reizvolle Neufassung des Stücks als Puppentheater zurück: Ermöglicht durch einen sensationellen Fund von 18 Faden-Marionetten, angefertigt zwischen 1987 und 1990 von den Puppenspielern Marianne und Kurt Erbe nach Schlemmers Original-Entwürfen. Den musikalischen Part, der auf der Original-Uraufführungssuite basiert, übernahm Pianistin Ragna Schirmer, diesjährige artiste étoile beim Würzburger Mozartfest; das Puppenspiel inszenierte Christian Georg Fuchs.
BR-KLASSIK Franken nahm die Würzburger Aufführung zum Anlass für eine Videoproduktion, die dieses epochale Werk Schlemmers in ein neues ästhetisches Bauhaus-Ambiente stellt. Dabei kommt diese Produktion dem durch und durch sinnlichen Zauber der Abstraktion der Puppen ganz nahe und zieht den Zuschauer in die vollkommene Zeit- und Ortlosigkeit der bewegten Raumplastiken dieses ikonischen Bauhaus-Werks hinein. Aufgenommen wurde der Film von Regisseur Hans Hadulla im Kulturspeicher Würzburg. Originalaufnahmen aus der Oskar-Schlemmer-Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart, wo etliche der originalen Kostüme erhalten sind, schlagen Brücken zurück in die Entstehungszeit des Balletts – die "wilden 20er". Weitere Aufnahmeorte sind das Studio Franken in Nürnberg sowie der Konzertsaal des Hauses Marteau in Lichtenberg.
Ursprünglich wollte Oskar Schlemmer für sein avantgardistisches Tanszstück auch avantgardistische Musik haben, was scheiterte, weil Arnold Schönbergs absagte. Also stellte er für die Uraufführung in Stuttgart eine Suite aus Klavierstücken zusammen, die den Stimmungsverlauf des Balletts vom heiteren Beginn bis zum ernsten, tiefgründigen Schluss widerspiegelt – mit Musik von Händel über Haydn und Mozart bis zu Enrico Bossi und Claude Debussy.
Sendung: "Allegro" am 22. September 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK