In einem griechischen Dorf soll ein Passionsspiel aufgeführt werden – als plötzlich eine Gruppe von Geflüchteten auftaucht und um Asyl bittet. Angst und Unmut machen sich breit. Bohuslav Martinůs aufwühlende Oper "Die Griechische Passion" hat am Sonntag bei den Salzburger Festspielen Premiere.
Bildquelle: Salzburger Festspiele / Monika Rittershaus
In den 1950er-Jahren hatte der tschechische Komponist Bohuslav Martinů den griechischen Schriftsteller Nikos Kazantzakis kennengelernt – und konnte sich sehr gut vorstellen, dessen Roman "Alexis Sorbas" zu einer Oper zu machen. Kazantzakis hatte eine andere Idee: sein Buch "Die griechische Passion" oder "Der gekreuzigte Christus" sei doch ein viel besserer Opernstoff. Hintergrund des Romans war der Griechisch-Türkische Krieg zu Beginn der 1920er-Jahre.
Der Regisseur Simon Stone inszeniert Martinůs Oper "Die Griechische Passion" bei den Salzburger Festspielen. | Bildquelle: Salzburger Festspiele / Jan Friese Das Libretto für die "Griechische Passion" schrieb Martinů selbst. Und da ihm nur eine englische Übersetzung des Kazantzakis-Romans zur Verfügung stand, wird Englisch gesungen. In London sollte die Oper 1958 uraufgeführt werden, doch das Royal Opera House in Covent Garden zog sein Angebot zurück. Offizielle Begründung: zu viel gesprochenes Wort. Nach gründlicher Überarbeitung war drei Jahre später Uraufführung in Zürich. Diese Fassung wird nun auch in Salzburg gespielt. Dirigent Maxime Pascal debütiert bei den Wiener Philharmonikern; Regie führt Simon Stone.
Die Handlung spielt in einem griechischen Dorf. Unter den Einheimischen werden die Rollen für das Passionsspiel verteilt, das alle sieben Jahre aufgeführt wird – als plötzlich eine Gruppe von Geflüchteten auftaucht und um Asyl bittet. In bunter, abgetragener Kleidung. Kleine Zelte werden aufgestellt. Angst und Unmut machen sich breit: "Was wollen die hier?" Um den Gegensatz zwischen Einheimischen und Geflüchteten darzustellen, arbeitet Martinů mit zwei Chören. Da ist die starre, unbewegliche Dorfgemeinschaft – und da ist der bewegliche, sich nähernde und wieder entfernende Chor der Geflüchteten.
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Der Dirigent Maxime Pascal hat die musikalische Leitung der Oper "Die Griechische Passion" von Bohuslav Martinů. | Bildquelle: Jean-Baptiste Millot In der "Griechischen Passion" findet Dirigent Maxime Pascal vieles aus dem französischen Impressionismus wieder, den Martinů während seines Studiums in Paris schätzen und lieben gelernt hat. Die Blasinstrumente spielen unisono in Dreiergruppen – wie eine italienische Banda. Anatolische Weisen treffen auf byzantinische Hymnen, es erklingen Harfe, Akkordeon und Cembalo. Das gibt einen lichtdurchfluteten, geradezu mediterranen Klang, der in großem Kontrast steht zu den gezeigten Gewalttätigkeiten, so Pascal: "Je sonniger und heller die Musik, desto mehr spitzt sich die katastrophale Tragik der Geschichte zu. Rohheit und Grausamkeit der Ereignisse werden dadurch in ein gleißendes Licht gerückt."
Regisseur Simon Stone bespielt in seiner Inszenierung die ganze Breite der Felsenreitschule – aber vielleicht nicht unbedingt so, wie man sich das angesichts der Möglichkeiten der dreigeschossig übereinandergelegten Arkadenreihen erwartet hätte. Die Bühne wird zu einem überzeitlichen Zauberkasten. Das ist ein Spiel mit Farbe und Licht; da tun sich Fenster und Türen plötzlich auf – und der Boden öffnet und schließt sich, um Menschen auszuspucken und wieder einzusaugen.
"Die Griechische Passion" hat am 13. August in der Salzburger Felsenreitschule Premiere. | Bildquelle: Salzburger Festspiele / Monika Rittershaus Martinůs "Griechische Passion" ist ein Plädoyer für Menschlichkeit. Der Komponist war selbst Asylsuchender. Im Zweiten Weltkrieg floh er vor dem Nationalsozialismus und wanderte in die USA aus. "Man hört in der Musik; wie wichtig ihm dieser Stoff von Kazantzakis war", meint Simon Stone. "Und man wird überzeugt, dass Altruismus keine schlechte alte Sache ist, sondern etwas, das wir immer noch leben sollten."
Sendung: "Allegro" am 11. August 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Dienstag, 15.August, 17:15 Uhr
Hansjürgen Rau
Das ewig Menschliche, hier wird's Ereignis!
Endlich hat Salzburg wieder zu sich selbst und seinen Wurzeln und damit zum Wesentlichen zurückgefunden. Keine versponnenen und verstiegenen Regie-Konzeptionen, sondern eine klare und unmissverständliche Botschaft, die in ihrer Einfachheit und Schlichtheit seit über zweitausend Jahren nichts von ihrer Aktualität verloren hat und heute dringender und bedrängender denn je zu uns spricht: Liebe deinen Nächsten!