Die Kantaten von Johann Sebastian Bach gehören zum westlichen Kulturerbe wie das Amen in der Kirche. Entsprechend groß ist die Diskografie. Braucht es da einen neuen Gesamtzyklus? Unbedingt, meint der Tölzer Knabenchor. Und hat mit dem Meister selbst den besten Fürsprecher. Basis für die Neueinspielungen ist der "Entwurff einer wohlbestallten Kirchen Music“, in dem Bach 1730 festgelegt hat, wie die Kantatenchöre aufgebaut sein sollen. Die ersten Aufnahmen fanden nun in der Münchner Himmelfahrtskirche statt, mit dem Barockorchester Concerto München unter der Leitung von Julian Wachner.
Bildquelle: Sorin Cucui – style arts
Der Schlusschoral aus der Bach-Kantate "Jesu, der du meine Seele" ist fester Bestandteil der Chorliteratur. Doch so, wie ihn der Tölzer Knabenchor und das Barockorchester Concerto München interpretieren, hat man ihn vermutlich noch nie gehört - genau so, wie Bach ihn sich vorgestellt hat, als er 1730 den "Entwurff einer wohlbestallten Kirchen Music" verfasste. Darin heißt es unter anderem: "Zu iedweden musicalischen Chor gehören wenigstens 3 Sopranisten, 3 Altisten, 3 Tenoristen, und eben so viele Baßisten, damit, so etwa einer unpaß wird (wie denn sehr offte geschieht, und besonders bey itziger Jahres Zeit ...) wenigstens eine 2 Chörigte Motette gesungen werden kan."
Barbara Schmidt-Gaden ist die Geschäftsführerin des Tölzer Knabenchors und führt die Arbeit ihres Vaters auf anderer Ebene fort. Gerhard Schmidt-Gaden gründete den Chor vor knapp 70 Jahren. Während seiner Zeit als Dirigent arbeitete er eng mit Nikolaus Harnoncourt zusammen – in jener Ära, in der die legendären Einspielungen der Bach-Kantaten entstanden. Übrigens auch mit seiner Tochter Barbara: "Ich hätte wohl ein Junge werden sollen - das hat aber nicht geklappt. Ich bin das einzige Kind und durfte damals als einziges Mädchen mitsingen."
Früher standen die Aufnahmetermine schon lange im Voraus fest, und die Bach-Kantaten waren entsprechend frühzeitig ausgewählt. Dieses Mal ist es anders: "Das Tolle ist, wir können das wirklich drei bis vier Monate im Vorlauf erst entscheiden", sagt Barbara Schmidt-Gaden. "Wenn ein Knabe noch nicht so weit ist - das ist ja oft eine Frage der Reife -, dann haben wir hier die super Gelegenheit, flexibel zu reagieren. Vor allem, weil dieser tolle Stimmklang kurz vor dem Stimmbruch einzigartig ist."
Diesen besonderen Stimmklang hat aktuell der 13-jährige Iker Jahn Valenzuela. Der Dirigent der Aufnahme, der US-Amerikaner Julian Wachner, schwärmt: "That boy is incredible". Und dieser "unglaubliche" Iker singt nicht nur wunderschön - er dirigiert auch, wenn es nötig ist. Das kam so: Gemeinsam mit seinem Freund übernahm er bei einer anderen Aufnahme kurzfristig die Leitung einer Probe. "Felix und ich durften jeweils ein Stück dirigieren, weil der Dirigent sich das anhören wollte. Das war cool." Bei den Aufnahmen der ersten vier Bach-Kantaten der neuen Reihe sang Iker dann wieder - eine Woche lang am Stück. Die Knaben verzichteten dafür sogar auf ihre Faschingsferien. Ein Opfer, das Iker gerne bringt: "Ich wäre nach Spanien gefahren zu meiner Oma, aber das ist ein sehr besonderes und einzigartiges Projekt."
Sendung: "Leporello" am 10. März 2025 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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