"Flesh and bone", zu deutsch Fleisch und Knochen, ist nicht der Titel eines Anatomielexikons, sondern eine neue Tanzserie aus den USA, die bei Amazon anzusehen ist. Hier geht es nicht nur um Ästhetik, sondern auch um Konkurrenzkampf und menschliche Abgründe.
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TV-Kritik
Tanzserie "Flesh and bone"
Claire aus Pittsburg hat den Sprung in eine renommierte Ballettcompagnie geschafft. Jetzt wird der Traum des kleinen Mädchens aus verkorkstem Elternhaus Wirklichkeit - Ballerina sein, Spitzentanz, Ruhm und Ehre. Aber mitnichten, die 21-jährige Claire landet mitten in New York in einem Haifischbecken.
Ihre Gegenspielerin in der Compagnie heißt Kira. Sie ist der Star: flach wie ein Waschbrett, biegsam wie eine Barbie - die ideale Ballerina, abgesehen von ihrer Kokainsucht. Dass sie charakterlich ein Ekelpaket ist, stört ja nicht beim Tanzen! Dagegen gleicht Sympathieträgerin Claire einer Landpomeranze. Rein äußerlich wirkt sie pumperlgesund, tanzt mit Anmut, ohne Anstrengung und mit mädchenhaftem Charme. Seelisch hingegen ist sie verkrüppelt, etwa so, wie die immer wieder gezeigten Füße der Tänzerinnen, die übersät sind von blutenden Wunden.
Bildquelle: starz Claire wurde sexuell missbraucht. Häppchenweise erschließt sich der Zuschauer ihre düstere Kindheit: Beim Besuch zu Hause zu Thanksgiving, bei Telefonaten mit dem Bruder, wenn im Hintergrund der tyrannische Vater bellt. Eine Ballett-Compagnie in den USA ist auf Gelder von Sponsoren angewiesen. Bei der American Ballet Compagnie wird so manche Ballerina zum Gratis-Callgirl für den Sponsor. Das gilt auch für Claire, die als eindeutige Aufforderung ein Paar hochhackige Pumps geschenkt bekommt. Am Ende wird nichts aus dem Geld für die Compagnie, weil Claire sich auf dem Bett des Sponsors übergibt. Aber Nachtclubchef Sergej steht bereits in den Startlöchern.
Jede Menge düstere, widerliche Begleiterscheinungen des Ballettbusiness ranken sich um die eigentliche Geschichte: die Vorbereitungen und Proben zur Spielzeiteröffnung. Vor lauter Nebenschauplätzen in Puffs, in Betten, auf Parties kommt der Tanz an sich zu kurz. Und vor allem bleibt die Frage offen: Warum tun sich die Tänzer und Tänzerinnen die ganze Plackerei an, warum lassen sie sich wie Zirkuspferdchen von einem sadistischen Ballettchef schikanieren?
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"Claire Robbins" gespielt von Sarah Hay, die Hauptdarstellerin der Ballettserie | Bildquelle: starz
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Die wunden Zehen einer Tänzerin. | Bildquelle: starz
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"Paul Grayson" gespielt von Ben Daniels, der bipolare, bisexuelle künstlerische Leiter der "American Ballett Company" | Bildquelle: starz
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Plakatfoto | Bildquelle: starz
Dieses Verschieben des Schwerpunktes, weg vom Traum Tanz, hin zum Alptraum geschieht natürlich mit voller Absicht. Weil Tratsch und Schweinereien einfach gut ankommen, erst recht, wenn sie verpackt sind in das Treiben lauter schön anzusehender Körper, die das edle Ziel "Der Kunst zu dienen" ausstrahlen.
"Flesh and Bone" bedient sämtliche Ballett-Klischees von A wie Abzocke, bis Z wie abgebrochener Zehennagel. Ballettfans, die sich nach künstlerisch anspruchsvollen Szenerien im Ballettsaal sehnen, kommen nicht auf ihre Kosten. Trotzdem ist "Flesh and Bone" keine Zeitverschwendung. Als Darsteller wurden größtenteils aktive Tänzer und Tänzerinnen gewonnen, die der Story damit eine Authentizität verleihen. Allen voran die überzeugende und dabei zerbrechlich wirkende Sarah Hay in der Rolle der Claire, sie ist als Halbsolistin an der Semperoper in Dresden engagiert.
Eine Tanzserie - 1. Staffel mit acht Folgen à einer Stunde
Ab sofort auf Amazon, für Prime-Abonnenten kostenlos
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Flesh and Bone - Trailer [HD] Deutsch / German