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Pianist Víkingur Ólafsson spielt in München "Ich muss immer etwas Neues machen"

Der isländische Pianist Víkingur Ólafsson wird für seinen sanften Klang und seine interessanten Arrangements gefeiert. Am Dienstag, 25. Oktober, gibt Ólafsson ein Konzert in München. Im Interview spricht er über sein neues Album "From Afar" und verrät, welchen Kindheitstraum er sich nach 30 Jahren erfüllt hat.

Víkingur Ólafsson  | Bildquelle: Ari Magg

Bildquelle: Ari Magg

BR-KLASSIK: Víkingur Ólafsson, Sie kommen am 25. Oktober für ein Konzert nach München. Die bayerische Landeshauptstadt steht immer mal wieder in Ihrem Konzertkalender. Gibt es etwas, das Sie unbedingt tun müssen, wenn Sie in München sind?

Víkingur Ólafsson: Nicht unbedingt. Auf Tournee habe ich immer wenig Zeit. Aber worauf ich mich unglaublich freue, ist mein Konzert in der Münchner Isarphilharmonie. Im Sommer 2021 habe ich sie zum ersten Mal gesehen. Sie sieht so schön aus! Und ich habe so viele wunderbare Dinge von anderen Künstlerinnen und Künstlern über diesen Saal gehört.

Víkingur Ólafsson: Fan der Münchner Isarphilharmonie

BR-KLASSIK: Wer hat Ihnen denn von der Isarphilharmonie erzählt und was genau?

Víkingur Ólafsson: Mein Pianistenkollege Daniil Trifonov hat mir gesagt, dass sie so unglaublich schön ist. Und auf Social Media habe ich gelesen, dass der Saal ein einziges Kraftwerk sein soll. Die Isarphilharmonie war ja auch nicht sehr teuer und wurde unglaublich schnell gebaut. Da merkt man wieder: Es geht auch einfacher, neue Konzerthäuser zu bauen.

Víkingur Ólafssons Konzert in München

Dienstag, 25. Oktober 2022, um 20:00 Uhr in der Isarphilharmonie
mit Werken von Schumann und Schostakowitsch
Tschechische Philharmonie
Víkingur Ólafsson, Klavier
Semyon Bychkov, Leitung

BR-KLASSIK: Sie vereinen auf einem Album oft verschiedene Stile und Epochen miteinander. Welche geheime Zutat verwenden Sie, damit es am Ende gut klingt?

Víkingur Ólafsson: Ich glaube, ich muss mit jedem Album etwas Neues machen und experimentieren. Mein erstes Album bei der Deutschen Grammophon waren Werke von Philip Glass, einfach ein paar Etüden. Und dann kam Johann Sebastian Bach. Ich wollte mich damals wirklich auf ihn als den Meister der Kurzgeschichte fokussieren – nicht als Meister der Größe, wie wir ihn von seinen Goldberg-Variationen oder der Matthäus-Passion kennen. Und dann habe ich mich an Debussy und Rameau gewagt und das war wirklich wie ein Gespräch zwischen diesen beiden Enfants terribles aus Frankreich. Somit wurde Debussy zum Meister des Barock und Rameau zum Futuristen. Später habe ich dann noch Mozart mit seinen Zeitgenossen kombiniert. Aber jetzt auf meinem neuen Album "From Afar" ist es total anders.

Ólafssons neues Album "From Afar"

BR-KLASSIK: Was genau ist bei "From Afar" anders?

Víkingur Ólafsson: Dieses Album ist mein Liebesbrief an György Kurtág. Er schreibt mit 96 Jahren immer noch so wunderschöne Musik. Wir haben uns letztes Jahr getroffen. Das war ein sehr schöner Moment für mich. Aber das Album ist gleichzeitig auch ein Brief an mein Publikum mit Musik von meiner Kindheit, meiner persönlichen musikalischen DNA. Dazu gehören viele Werke von Komponisten, zu denen ich schon sehr lange eine starke Verbindung habe: Brahms, Schumann, natürlich Bach und Mozart. Aber auch Musik aus Island. Zum Beispiel ein isländisches Volkslied.

Dieses Album ist meine persönliche musikalische DNA.
Víkingur Ólafsson über sein Album 'From Afar'

BR-KLASSIK: Gibt es eine Geschichte zu einem Stück aus Ihrer Kindheit, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Der Pianist Vìkingur Ólafsson | Bildquelle: Ari Magg Víkingur Ólafsson | Bildquelle: Ari Magg Víkingur Ólafsson: Es gibt eine Sonate für Solo-Geige von Johann Sebastian Bach auf diesem Album. Immer wenn ich sie früher im Musikunterricht gehört habe, habe ich davon geträumt, das auf dem Klavier zu spielen. Und jetzt habe ich diese Sonate für Klavier arrangiert. Nach 30 Jahren ist dieser Traum wahr geworden! Ich habe aber auch Béla Bartóks Umarbeitungen für ungarische Volkslieder aufgenommen. Und das erinnert mich an ein Konzert, das ich als 18-Jähriger vor dem Bartók-Schüler György Sandor in New York gespielt habe. Er sagte damals zu mir, dass man bei Bartóks Musik und bei ungarischer Musik im Allgemeinen immer singen muss. Man braucht dafür Leichtigkeit und Phantasie. Und er hat gesagt, dass so viele junge Pianistinnen und Pianisten ihn sehr beängstigend und erdrückend spielen. Diese Begegnung mit Herrn Sandor ist für mich eine tolle Erinnerung, genauso wie die mit Kurtág. Er ist für mich wirklich so groß wie Robert Schumann oder Béla Bartók.

Island – Heimat und Fremde

BR-KLASSIK: "From Afar" – Sie sprechen auf diesem Album aus einer Ferne zu uns. Gehen Sie denn auch in die Ferne, wenn Sie einmal eine Pause vom Klavier brauchen?

Víkingur Ólafsson: Ich suche auf diesem Album etwas, das fremd ist. Und diese Fremde ist gleichzeitig etwas, was ich immer wieder bei mir zu Hause in Island finde. Dort mache ich dann auch Pause mit meiner Frau und meinen beiden Söhnen. So viel wie ich wegen meines Jobs reise, ist es immer wieder schön, für den Urlaub nach Hause zu kommen.

BR-KLASSIK: In Ihrem Heimatland sind Sie auch schon öfter zum Musiker des Jahres gekürt worden. Jetzt haben wir schon Oktober: Wer ist denn bis jetzt Ihr persönlicher Musiker des Jahres 2022?

Víkingur Ólafsson: Ich glaube, für mich ist immer Johann Sebastian Bach Musiker des Jahres! Er ist mit mir, jeden Tag. Diese Verbindung ist unglaublich. Aber wenn ich einen noch lebenden Musiker nennen müsste, dann wäre es wirklich György Kurtág.

Sendung: "Allegro" am 24. Oktober 2022, um 6:05 auf BR-KLASSIK

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