Immer wieder vergessen oder verlieren Musikerinnen und Musiker ihre Geigen, immer wieder werden sie gefunden und immer wieder lesen wir Geschichten darüber, von denen manche beinahe filmreif sind. Gerade erst wieder. Vorhang auf!
Bildquelle: picture allinace
Im jüngsten Fall dauerte es nur eine gute Woche, dann war das wertvolle Instrument wieder da. Eine Musikerin hatte ihre Guarneri in Stuttgart im Zug vergessen, irgendeine Frau nahm sie an sich. Und brachte sie nicht etwa zurück, sondern ließ sich von der Polizei schnappen. Die konnte die 35-Jährige nämlich über die Videoüberwachung identifizieren, klingelte bei ihr in Mannheim und das war's. Glück für die Musikerin – Pech für die Diebin, die nun mit einer Anzeige rechnen muss. Keine schöne Sache, geht immerhin um etwa 100.000 Euro.
Und weil es gleich ein paar Geigen gibt, die solche Geldwerte auf die Waage bringen, gibt es auch ein paar solcher Geschichten. Darunter sogar noch bessere. Letzten Sommer wurde in Berlin ein Kleinod von Nicolo Gagliano sichergestellt, das sogar 275.000 Euro wert ist. Geklaut wurde die Geige 2019 aus der Berliner Musikhochschule Hanns Eisler. Geklingelt hat die Polizei drei Jahre später nicht. Stattdessen gab’s eine Razzia. 80 Beamtinnen und Beamte im Einsatz, idealer Stoff für einen Actionstreifen von Michael Mann – oder die Fortsetzung von "4 Blocks". Geigen (immense Wertsteigerung!) sind ja eigentlich nicht uninteressant für die organisierte Kriminalität.
Eine ganz andere Vorlage bietet dagegen dieser Fall: 38 Jahre – so lange musste Roman Totenberg warten, bis seine Stradivari wiederauftauchte. Genauer gesagt: Hätte warten müssen. Denn tatsächlich hat er die Wiederkehr seines Instruments nicht mehr erlebt. Er starb davor. Was deswegen besonders tragisch ist, weil er von Anfang an geahnt hat, wer hinter dem Diebstahl steckte.
Totenberg, der damals das Konservatorium in Cambridge, Massachusetts leitete, hatte seine Geige nur kurz im Büro gelassen. Als er zurückkam, war sie weg. Sofort hatte er Philip Johnson im Verdacht, schließlich hatte er den Kollegen in den Gängen umherschleichen sehen. Aber der stritt alles ab. Und einer Hausdurchsuchung wurde angesichts der doch etwas mauen Beweislage nicht stattgegeben.
Muss man sich mal vorstellen: Jahrelang arbeiten die beiden nebeneinander. Verdächtigender und Verdächtigter, zum Zerschneiden dicke Luft in den Gängen, taxierende, sezierende Blicke in den Konferenzen, Zeitlupe, Schuss, Gegenschuss, und irgendwann die Eskalation, eine Gewaltexplosion à la Tarantino. Oder das Gegenteil: Die beiden werden vom unausgesprochenen Dritten (dem Klau), zusammengeführt, das Schuldbewusstsein entfaltet seine soziale Energie, es entwickelt sich eine Freundschaft, vielleicht sogar eine Liebe, die Almodóvar-like im letzten Moment, und begleitet von schwülen Streichersounds, in den tragischen Abgrund gerissen wird – nämlich als Roman seine Stradivari in Philips Hobbykeller entdeckt. Oder so.
Es kam eh anders: Roman starb vor Philip. Und als Philip auch starb, versuchte seine Frau, das Instrument zu verkaufen, gelangte dabei an einen Experten, der die gestohlene Geige erkannte – und der gab das Instrument den Töchtern des Beraubten schließlich zurück. Die verkauften es dann und mittlerweile spielt der Geiger Nathen Meltzer auf der "Ames" wie das Instrument heißt.
Viele (mehr oder weniger) Happy Ends also, wenn es um geklaute Geigen geht. Thomas Schmidt-Ott, Direktor des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin empfahl im rbb vor ein paar Tagen trotzdem eine gute Versicherung. "Mir ist bekannt, dass normalerweise, wenn solch ein Diebstahl oder Verlust passiert, die Versicherung zahlt, aber oft ist das Instrument nicht in der Größenordnung des eigentlichen Werts versichert. Es kann also passieren, dass man nicht den Wert erstattet bekommt, den das Instrument eigentlich hatte", so Schmidt-Ott.
Zumindest gegen das Verlieren bleibt die beste Versicherung also der Knoten im Taschentuch.
Sendung: "Leporello" am 5. Juni ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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