Ein Schwanenritter als Erlöser und eine Gesellschaft, in der keine Fragen gestellt werden dürfen. Richard Wagners "Lohengrin" ist eine harte Nuss. Am Samstag ist Premiere an der Bayerischen Staatsoper. Regisseur Kornél Mundruczó erklärt seine Interpretation im Interview.
Bildquelle: Wilfried Hösl
BR-KLASSIK: Kornél Mundruczó, Lohengrin ist der Schwanenritter, der Retter in der Not, fast so eine Art Superman. Ist das zeitgemäß? Brauchen wir heutzutage Superhelden?
Kornél Mundruczó: Für mich ist das das zentrale Thema im Stück: die Erwartung einer Erlösung. Über diesen Aspekt habe ich mich auch der Figur des Lohengrin genähert. Diese Sehnsucht beginnt schon in der Ouvertüre und ist absolut hörbar in der Musik. Sie zieht sich durch das ganze Stück. Ich habe mir darum die Frage gestellt, warum sind die Menschen so blöd, jemanden haben zu wollen, der sie erlöst, gerade in unserer heutigen Zeit? Ich meine, uns geht es doch eigentlich ganz gut. Und trotzdem steckt jeder irgendwie dauernd in einer Krise. Und darum kreieren wir uns unsere eigenen Lohengrins, unsere Helden.
Johanni von Oostrum singt die Elsa in Kornél Mundruczós Neuinszenierung von "Lohengrin" an der Bayerischen Staatsoper. Ihr Schwanenritter ist Klaus Florian Vogt. Anja Kampe gibt die Ortrud und Johan Reuter den Friedrich von Telramund. Am Pult des Bayerischen Staatsorchesters steht François-Xavier Roth. Am Samstag, 3. Dezember, ist Premiere. BR-KLASSIK überträgt die Vorstellung ab 17:00 Uhr im Live-Stream und im Radio.
BR-KLASSIK: Eigentlich spielt Lohengrin im zehnten Jahrhundert in Antwerpen. Wohin transportieren Sie die Geschichte?
Kornél Mundruczó: Wir versetzen die Handlung in eine Art Labor mit weißen Wänden und klaren Strukturen. Irgendwie kann man diese Oper meiner Ansicht nach auch als allegorisches Spiel sehen. Am wichtigsten ist mir die Ensemblearbeit. Darum gibt es auf der Bühne immer Räume mit Türen und Fenstern, aber keiner kommt oder geht ab. Und wir wissen nicht, was sich hinter den Türen verbirgt. Das regt die Fantasie an, finde ich. Wir befinden uns in naher Zukunft, wo wir uns eine Gruppe anschauen, die die Klimakatastrophe überlebt hat. Oder wir sind in der Gegenwart, im Gefängnis einer Diktatur. Das ist unsere Inszenierung.
Wir alle wissen aus der Geschichte, was das für eine Gesellschaft ist, in der wir keinen Fragen stellen können.
BR-KLASSIK: Was ist das denn für eine Gesellschaft, in der wir leben und in der keine Fragen mehr gestellt werden oder gestellt werden würden? Das ist ja eigentlich nicht erstrebenswert.
Kornél Mundruczó: Wir alle wissen aus der Geschichte, was das für eine Gesellschaft ist, in der wir keinen Fragen stellen können. Der Zweite Weltkrieg, der Faschismus und danach der Kommunismus. Ich erinnere mich noch an meine Kindheit in Ungarn, in den späten Siebzigern und frühen Achtzigern. Da war die Gesellschaft auch nicht frei. Und wenn wir keine Verantwortung für die Zukunft übernehmen, gerade auch, was unseren Planeten angeht, keine offene Gesellschaft sind, die Fragen stellt, dann bedeutet das, nicht an Werte zu glauben, sondern voller Angst, auf unseren Lohengrin zu warten, der all unsere Probleme lösen soll.
BR-KLASSIK: In all den Fragen, die Sie sich gestellt haben und so tief, wie Sie in das Stück eingedrungen sind: Gibt es etwas, was sie immer noch beschäftigt, worauf sie keine Antwort gefunden haben?
Wagner anzuschauen ist wirklich nicht nur ein Vergnügen. Es ist anstrengend, aber die Kultur braucht diese Provokation.
Kornél Mundruczó: Ja, es ist ein sehr kontroverses Stück. Und gerade deshalb sollte es gespielt werden. Was die Debatte zu Richard Wagner betrifft, wie gehen wir mit ihm um, als Deutsche, als Europäer? Wie gehen wir mit seiner Musik um? Mein Standpunkt ist da, wenn man sich seine Musik anschaut, seine Überzeugungen und auch seine Zerbrechlichkeit, dann besaß er eine bipolare Persönlichkeit. Er war ein Kind seiner Zeit und zugleich eine Art Prophet. Diese Extreme finden sich auch in seinen Stücken wieder. Das können wir nicht ignorieren. Es gehört zum Wesen des Menschen. Wir müssen uns damit auseinandersetzen. Ich halte nicht viel von der Herangehensweise, ihn entweder gar nicht aufzuführen. Oder wenn, dann nur kritisch. Ich glaube, wir müssen ihn auf einer tieferen Ebene verstehen. Es ist wirklich eine harte Nuss, wenn man tiefer in das Stück eintaucht. Es ist nicht nur bequem, es fordert einen als Künstler, man ist immer auf der Suche nach Fragen und Antworten, und dasselbe gilt auch fürs Publikum. Wagner anzuschauen ist wirklich nicht nur ein Vergnügen. Es ist anstrengend, aber die Kultur braucht diese Provokation.
Sendung: "Allegro" am 01. November 2022, ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (4)
Montag, 05.Dezember, 22:52 Uhr
Weini
Lohengrin
So richtig überzeugend und durchdacht klingt das in meinen Ohren nicht. Dass sich viel zu viele Erlöser ersehnen - d'accord. Aber wir hatten den Experimentansatz ja schon im NeuenfelsLohengrin in Bayreuth - konsequent durchbuchstabiert. Der bipolare Wagner - klingt schick. Aber steckt da tatsächlich ein tieferer Erkenntnisgewinn dahinter? Nahe Zukunft nach dem Klimacrash oder doch Jetzt Zeit dafür Gefängnis in der Diktatur? Löst bei mir kein Gefühl der aufkeimenden Neugier auf die Inszenierung aus.
Freitag, 02.Dezember, 22:57 Uhr
Lentz
WAGNER
Per me, WAgner non era una personalita Bipolare. Come sempre, ogni giorno inventano piu parole stranne, per identificare al genio. Come quei che diccono che era nazi, era morto nel tempo de Hitler, e como il rebelde e genio che lui era, di sicuro, non avrebbe voluto la botta del assesino sopra la sua vita ed il suo genio. Per me e criminale, dare queste opinioni, che l'ignoranza, che non conosce il genio Wagneriano, che nemmeno vanno a l'opera ad ascoltare e studiare i suoi Drammi Musicali, crede e ripette, con opinione assurde e stupide. Mi arrabia, e per me,2e criminale.
Freitag, 02.Dezember, 22:48 Uhr
Lentz
Qesto articolo
Per me, tutti i personaggi, feminile di Wagner representano un tipo di donna, che esistera dal principio alla fine del tempo. La povera Elsa, non vuol capire la meraviglia che e arrivata alle sua vita, la curiosita e il dubbio, la dominano. Cuando Lohengrin, gli dice," Non vengo d'un luogo, stanno o criminale", questa povera donna,non presta atenzione. Elsa, come tutti gli algri personaggi del grande compositore, representa la donna che non crede, cosi, come Senta e quella, che da la vita per salvare a l'uomo o il fantasma de cui e innmorata, o Kundry, che representa tutte le donne dal principio del tempo, Eva, l'amore alla giovinezza e la vita, Brunhilde, quella che sacrifica il suo destino, Elizabetg la donna pura e cosi, segue la storia........
Freitag, 02.Dezember, 19:55 Uhr
Wolfgang
Warum tut sich der Regisseur das an?
Angesichts des Interviews stelle ich mir die Frage, warum der Regisseur Wagner inzeniert, wenn er offensichtlich mit Wagner nichts anfangen kann, insbesondere mit dessen zentralen Konzept der Erlösung. Das führt doch zwangläufig zu unbefriedigenden Ergebnissen, indem sich Musik und Inszenierung beißen.
Die einzige Antwort, die mir einfällt: "Kohle abgreifen".
Das ist doch ein wenig peinlich und sagt viel über den Charakter dieses Menschen aus.
Natürlich könnte man auch auf die Einschätzung des Ungarn eingehen, uns gehe es so gut heute, dass das Konzept der Erlösung unverständlich sei. Doch das würde den Rahmen wohl sprengen Hier kann ich nur sagen: Wie stumpf kann man sein?
Und seine psycho-pathologische Ferndiagnose Wagners als "bipolar" ist natütlich auch oberpeinlich, nachdem des sich zuvor selbst als gierig und stumpf offenbart hat.