Entweder man kann es oder man kann es nicht: Zum Beat klatschen oder die richtige Melodie singen. Eine Studie hat nun die Gene analysiert, die für Rhythmusgefühl beim Menschen verantwortlich sind. Doch was bedeutet so ein erwiesener Genpool für die musikalische Ausbildung? Und ist eine musikalische Karriere tatsächlich von Geburt an vorgegeben? Eine Einordnung.
Bildquelle: colourbox.com
Ein absolutes Gehör? Ein mitnehmender Groove am Schlagzeug? Manche haben’s, andere nicht. Musikalisches Talent ist in der Menschheit nicht gerecht verteilt. Nicht umsonst gibt es Bezeichnungen wie "Wunderkind". Es wird als außergewöhnlich wahrgenommen, was mancher Körper und mancher Geist an einem Instrument, im Kopf oder mit der Stimme aus Musik heraus entwickeln kann. Diesem Wunder gehen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seit geraumer Zeit nach. Und zumindest für die Ausprägung des Taktgefühls konnten die dafür verantwortlichen Gene jetzt analysiert werden. Wie der SWR berichtet, wurde unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Empirische Ästhetik im Magazin Nature eine Studie vorgelegt, in der mehrere Gene bestimmt werden konnten, die dafür verantwortlich sind, wie ausgeprägt das Rhythmusgefühl der Probanden und Probandinnen ist. Nicht ein einzelnes Gen bestimmt, wie gut jemand zum Beat mitklatschen kann. Es ist eine ganze Reihe von Genen. Dieser "polygene Score" bekam den Namen "PGSrhythm".
Für den Musiker und Neurologen Eckart Altenmüller ist das "eine sehr trickreiche Analyse", die sehr gut gemacht sei. Das Ergebnis, nämlich dass diese musikalischen Grundeigenschaften genetisch stark mitgeprägt sind, sei nicht wirklich etwas Neues, erklärt Altenmüller, der als Direktor des "Instituts für Musikphysiologie und Musikermedizin" der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover auch auf solchen Gebieten forscht. Die neue Studie aber zeige "ein Muster an Genen", das bestimmt wie gut die Person den Rhythmus halten kann – und damit also besonders gut Kammermusik oder in Bands spielen könnte. Etwa 50 Prozent der Leistung wird durch Genetik erklärt. Das habe man schon seit den 1980er-Jahren vermutet, sagt Altenmüller. Doch diese Studie, die mit 5648 Probanden auch sehr groß besetzt gewesen ist, habe nun diesen Umstand wissenschaftlich erklärt. Auch Intonation, also die Fähigkeit Tonhöhen zu treffen und zu halten, sei auf ähnliche Art getestet worden, berichtet Altenmüller, der einige der beteiligten Forschenden auch persönlich kennt.
Für die musikalische Erziehung sagen diese neuen Erkenntnisse für Altenmüller aber nicht so viel aus. Der genetische Beweis für Musikalität erkläre zwar, warum eine Person nach zwei Jahren Klavierunterricht schon schwierige Chopin-Stücke spielen könne, eine andere aber nach zehn Jahren Unterricht noch Schwierigkeiten mit "Für Elise" habe. Doch: "Musik ist ja unglaublich reichhaltig, da gehört auch Kommunikationsfähigkeit dazu", sagt Altenmüller. Ein Beispiel sei für ihn Edith Piaf: "Die hatte eine schlechte Intonation und kein gutes Rhythmusgefühl, aber trotzdem eine große Ausstrahlung." Also jeder kann seinen Platz in der Musik finden, auch wenn die Gene nicht so gut sind wie in den großen Musikerfamilien.
In der Klassik ist natürlich Perfektion gefragt. Doch da geht es auch zum großen Teil um motorische Perfektion, die schlicht trainiert werden muss, wie Altenmüller erklärt. Und zwar vor dem Alter von sieben Jahren, danach schließt sich das Fenster, in dem das Gehirn noch so anpassbar ist artistische Höchstleistung zu lernen. Gene sind also nicht alles.
Sendung: "Allegro" am 28. November 2022, ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (0)