Vier Jahre hat es gedauert, bis die "Walküre in der Wüste" Wirklichkeit wurde, ein Mammutprojekt der Bayreuther Festspiele. Für zwei konzertante Aufführungen waren jetzt 110 Musiker und 13 Sängerinnen und Sänger in Abu Dhabi, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate. In einer Stadt der glitzernden Wolkenkratzer, in der manch ein Wagner-Fan die Texte nahezu auswendig kann. Dennoch können Werke von Richard Wagner ganz schön lang werden für ein Publikum, das solche Vorstellungen nicht alle Tage erlebt.
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Richard Wagner hätte vermutlich zur Finanzspritze eines arabischen Scheichs nicht nein gesagt. Mit ein paar Handvoll Dirham hätte der Komponist ruckzuck seine Träume vom Gesamtkunstwerk im XXL-Format verwirklichen können. Dann wäre König Ludwig II. nicht geschröpft worden und die beiden Fantasten Freunde geblieben bis an ihr Lebensende. Tatsächlich aber kannte Wagner den Orient hauptsächlich von den "Erzählungen aus 1001 Nacht".
Davon abgesehen zogen die Vorfahren von Zayid bin Sultan Al Nahyan, dem Staatsgründer der Vereinigten Arabischen Emirate, zu Wagners Zeiten noch als Beduinen über die Halbinsel. Viele lebten vom kargen Lohn der Perlenfischerei. Mit den 1930-er Jahren setzt der Wandel ein: Das üppige Ölvorkommen und die verschwenderische Nachfrage des Westens sorgten für unglaublichen Wohlstand. Und diesen Wohlstand hängt man heutzutage gerne an die große Glocke, oder eben neuerdings an die Wagnertuba.
Bildquelle: Sylvia Schreiber Wie ein Schatz aus riesenhaften Diamanten glitzern die Wolkenkratzer. Eine Champagner-Bar auf 300 Metern Höhe lädt zum Trinken und Staunen ein. Wohin man auch blickt, allem wohnt der Zauber von etwas unwirklich Üppigem inne. Im buchstäblichen Sinne das Glanzstück der "Palastomanie" ist der "Emirates Palace". Ein Luxushotel plus eingebautem Unterschlupf für die sieben Emire der arabischen Föderation. Jedem gehört in der Walhall-Festung eine Suite, die niemals vermietet werden darf. Wenn sich die Machthaber zu Verhandlungen treffen, lassen sie sich im "Maybach" diskret und direkt ins eigene Wohnzimmer kutschieren.
Alles, was in diesem Palast nicht aus Gold gefertigt ist, das schimmert zumindest gülden, korallenfarbig oder ist von blumigen Ornamenten durchwirkt. Freias goldene Äpfel wirken dagegen geradezu popelig.
Zugegeben, auf derart loungigen Sesseln wie im Auditorium des "Emirates Palace" lassen sich 4 Stunden Wagner locker aushalten, da darf sich das Bayreuther Festspielhaus in Sachen Komfort gerne eine Scheibe abschneiden. Für den Klang von Wagners Musik ist die samtige Konzerthöhle freilich weniger zuträglich. Auf flauschigen Teppichen wuselt Katharina Wagner als Spielleiterin wie ein Derwisch hinter der Bühne herum, hat den Laden im Griff und verbreitet dabei auch noch gute Laune. Vier Jahre hat es gedauert, bis aus der Idee "Walküre in der Wüste" Wirklichkeit wurde.
Nicht einmal eine Woche Probezeit hatte ihr Team dann in Abu Dhabi für die Vorbereitung der konzertanten Aufführungen. Zwei würzige Vorstellungen haben die Bayreuther gestemmt, in Spitzenbesetzung. Aber vor einem Publikum, das im Verlauf der drei Akte leider so rasch dahin geschmolzen ist, wie Mandarineneis in der arabischen Sonne.
Bildquelle: Sylvia Schreiber In der ersten Reihe sitzen, vereint im Geiste wie Fafner und Fasolt, jene beiden Männer, die die legendären Wagner-Festspiele in die Wüste eingeladen und das Geld dafür organisiert haben. Einer trägt die traditionelle weiße Kandura. Das ist Regierungsminister Zaki Nusseibeh, ein gebürtiger Palästinenser mit Abschluss in Cambridge, Übersetzer des Staatsgründers Scheich Zayid, Gründer des Wagnerverbandes Abu Dhabi, Besitzer einer gigantischen Sammlung an Aufnahmen von Wagners Ring. Das Libretto der Walküre kennt er im Schlaf - auf Deutsch selbstverständlich. Der Mann neben ihm im piekfeinen Zwirn ist Ronald Perlwitz, Kulturmanager, künstlerischer Leiter der Konzert-Reihe "Abu Dhabi Classics", promovierter Literaturwissenschaftler und ebenfalls Wagnerfreak. Auf die Frage, wie hoch die Kosten für den Walküren-Export gewesen seien, gibt er keine Antwort. "Es sind normale Gagen bezahlt worden", meint Perlwitz. Ein kleines Taschengeld in Höhe von 10.000 Euro haben die Festspiele für ihren guten Namen, sprich das Logo, erhalten.
Bildquelle: Sylvia Schreiber Der Deutsch-Franzose Perlwitz setzt nicht allein auf Bildung und Kultur aus Europa, sondern auch auf arabische Tradition. In einem Reihenhaus, das unauffällig in einem Wohnviertel der Stadt liegt, hat Perlwitz eine Oud-Schule einquartiert. Der Leiter Jarir Abbas zeigt stolz die hauseigene Werkstatt, in der es betörend süßlich nach Palisanderholz und Klebstoff duftet.
Die besten Musiker des Landes unterrichten hier, wie der Oud-Virtuose Faisal al Saari. Wagners Walküre war seine erste Erfahrung mit Oper: "Ein bisschen lang", gesteht er. Und er hätte gerne den Text mitgelesen. Darin allerdings zeigten sich die Organisatoren knauserig. Auf kostspielige Übertitel wurde verzichtet. Stattdessen sollte ein Stummfilm mit Slow-motion-Einstellungen und theatralischer Mimik die Handlung verdeutlichen. Die arabischen Besucher fühlten sich von der Filmästhetik, die irgendwo zwischen "Herr der Ringe" und "Tribute von Panem" liegt, veräppelt. "Die haarige Geschichte halten wir schon aus, das ist schließlich ein Mythos", meint Fathulla Ahmed Salih.
Und dann erzählt der ehemalige Oud-Lehrer von Saddam Hussein im Flüsterton über seine Zeit beim irakischen Diktator, der zwar schnell die orientalische Laute erlernt habe, aber dazu Grauen erregend gesungen hat. In Abu Dhabi lehrt Salih vor allem Gesang. Sein Stolz ist eine Schülerin, die mit Impetus ein melancholisches arabisches Volkslied vorträgt. Und die bereits eine arabische Casting Show mit einem amerikanischen Song gewonnen hat! Denn: Tolerant sein ist angesagt in den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Bildquelle: Sylvia Schreiber So hat die Regierung für 2019 das "Jahr der Toleranz" sogar angeordnet. Man will nicht zu den Hinterwäldlern zählen und darum darf es auch jeder mit der Religion halten, wie er mag. Frauen fahren Auto, studieren, bekommen gut bezahlte Jobs, können wählen zwischen Abaya und Minirock. Ganz nach Geschmack. Alles soll und darf koexistieren, wie auch im Louvre von Abu Dhabi alle Stile und Epochen nicht nach geographischer Herkunft, sondern chronologisch nebeneinander ausgestellt sind.
Katharina Wagner schmiedet schon weitere Pläne mit Abu Dhabi, arbeitet, ganz Wotan-like, an Verträgen. Dann allerdings wünscht sie sich die szenische Darbietung einer Oper, am liebsten "Lohengrin".
Stein für Stein entsteht so mit der Walküre, mit der gigantischen Scheich Zayed Moschee, der kleinen Oud-Schule, einem Ableger der Pariser Sorbonne, dem überwältigenden Louvre ein äußerst kostspieliges Mosaik der Hochkultur und der kulturellen Bildung. Als wolle man in Abu Dhabi gewappnet sein für den Fall, dass irgendwann doch einmal der Tag kommt, an dem das schwarze Gold versiegt. Dann verfügt das Emirat immerhin noch über einen kostbaren Schatz an geistigen und kulturellen Werten. Und wird eben darüber sein golden glänzendes Selbstbewusstsein definieren.
Sendung: "Allegro" am 31. Januar 2019 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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