Es ist Ende Mai und der Grüne Hügel erwacht, es wird schon wieder geprobt bei den Bayreuther Festspielen. Das Mekka der Wagnerianer*innen bereitet sich auf eine absolute Neuheit vor: Es wird heuer zwei Premieren geben! Nicht nur Wagners Opus Magnum, "Der Ring des Nibelungen", wird neu geschmiedet, sondern auch eine Neuproduktion von "Tristan und Isolde" steht auf dem Programm. Seit 1951, den ersten Festspielen nach dem 2. Weltkrieg, hat es diese Premierenhäufung nicht mehr gegeben.
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Normalerweise gibt es im Jahr nach einer Neuinszenierung des "Rings" in Bayreuth keine Premiere. Zu kosten-, personal- und probenintensiv ist so ein Mammutprojekt mit vier Opernabenden. Heuer gibt es sogar im Premierenjahr selbst den "Tristan" obendrauf! Sehr ungewöhnlich. Auf dem grünen Hügel munkelt man, dass Festspielchefin Katharina Wagner in Sorge war, ob der "Ring" überhaupt stattfinden könne. Kurzerhand wurde für eine Alternative gesorgt. Jetzt klappt beides und die ohnehin knapp bemessenen Probenräume in Bayreuth dürften schier explodieren. Sicher eine Herkulesaufgabe für das künstlerische Betriebsbüro, hier zu koordinieren.
Daraus ergibt sich auch für die Bayreuther Festspiele ein merkwürdiger Spielplan: Nachdem man zur festlichen Eröffnung mit der "Tristan"-Premiere am 25. Juli wie gewohnt das Publikum aus aller Welt erwartet, ist dann fünf Tage Pause im Festspielhaus. Erst am 31. Juli hat mit dem "Rheingold" der Opernzyklus "Der Ring des Nibelungen" Premiere. Ob es gelingt, die Aufmerksamkeit so lange hochzuhalten? Und was bedeutet das für Besucher*innen, die von weither anreisen? Die Festspiele behelfen sich für diese Übergangszeit mit kleineren Formaten und einem Open-Air. Dessen Programm ist allerdings noch streng geheim.
Am 29. Mai 2022 ab 14:00 Uhr können Sie auf der Seite der Bayreuther Festspiele Karten für alle Werke der diesjährigen Festspiele erwerben. Voraussetzung ist ein Kundenkonto bei den Bayreuther Festspielen mit bereits verifizierter E-Mail-Adresse.
Vermutlich hatte ein "Ring" noch nie so viel Probenzeit wie dieses Mal: Nachdem die Bayreuther Festspiele und diese "Ring"-Produktion aufgrund der Pandemie nicht wie geplant 2020 stattfinden konnten, wurde im letzten Jahr schon probiert. Mit Valentin Schwarz inszeniert heuer einer der jüngsten Bayreuth-Regisseure aller Zeiten auf dem grünen Hügel. Erst 33 Jahre – und dann dieser Mega-Zyklus mit vier Opern: "Rheingold", "Walküre", "Siegfried" und "Götterdämmerung". Nur Patrice Chereau war noch etwas jünger, als er 1976 den sogenannten "Jahrhundertring" erarbeitete. Eine Produktion, die erst massiv angefeindet und ausgebuht wurde, später aber Musiktheatergeschichte schrieb.
Valentin Schwarz ist mit 33 Jahren einer der jüngsten Bayreuth-Regisseure aller Zeiten. | Bildquelle: dpa-Bildfunk/Daniel Karmann Valentin Schwarz möchte seine Inszenierung im Stil einer Netflix-Serie anlegen – mehr hat er noch nicht verraten. Auf seinen Schultern lastet viel. Kann sein Regie-Konzept überzeugen? Musikalisch hat er jedenfalls kein besonders starkes Team an seiner Seite: Der "Ring"-Dirigent Pietari Inkinen hat letztes Jahr mit seinen etwas langatmigen konzertanten "Walküre"-Dirigaten für Diskussionen gesorgt. Und auch die Sängerbesetzung wartet mit Iréne Theorin als Brünnhilde und John Lundgren als Wotan in den Hauptrollen nicht gerade mit neugierig machender Innovation auf.
Für die Premiere von "Tristan und Isolde" hatte Roland Schwab, der mit der Regie erst kurzfristig betraut wurde, sehr wenig Vorlaufzeit. Er will den Nuancen der Musik in seiner Inszenierung nachspüren. Für diese Nuancen sorgt Cornelius Meister, GMD der Staatsoper Stuttgart, der erstmals in den mythischen Abgrund – also den Bayreuther Orchestergraben – hinabsteigen wird. Catherine Foster war die gefeierte Brünnhilde des letzten "Rings", den Frank Castorf inszeniert hat. Jetzt singt sie erstmals in Bayreuth die Isolde. Und Heldentenor Stephen Gould macht sich bereit für das Guinness Buch der Rekorde: Tristan, Tannhäuser und Götterdämmerung-Siegfried! Drei absolute Knüppelpartien in einer Festspielzeit. Das hat‘s in dieser Form noch nie gegeben, auch wenn Wolfgang Windgassen in den 50er- und 60er-Jahren ähnliche Marathon-Leistungen hingelegt hat.
Neben den beiden Premieren-Regisseuren Valentin Schwarz und Roland Schwab sowie dem "Tristan"-Dirigenten Cornelius Meister, die alle debütieren, singt Andreas Schager erstmals den Jung-Siegfried, seine "Signature-Role"– sängerisch sicher eines der interessantesten Debüts. Die Sopranistin Daniela Köhler wagt einen großen Schritt und singt die Siegfried-Brünnhilde. Sie gilt als große Hoffnung im jugendlich-dramatischen Fach, genau wie die Norwegerin Elisabeth Teige. Sie wird die Senta präsentieren – in der Nachfolge von Asmik Grigorian, die im letzten Jahr stürmisch gefeiert wurde, aber dem Vernehmen nach aufgrund negativer Erfahrungen mit der Festspielleitung nicht mehr in Bayreuth singen möchte.
Wiederkehren werden unter anderem Lise Davidsen, Klaus Florian Vogt und Georg Zeppenfeld. Christian Thielemann dirigiert fünfmal "Lohengrin". Die großen Namen muss man in diesem Jahr sonst suchen, auch wenn Andris Nelsons zu Konzerten kommt. Umso mehr wird das Augenmerk auf den Regiearbeiten liegen. Bei gleich zwei Neuinszenierungen mit insgesamt fünf Premieren aber gibt es auf jeden Fall viel zu sehen!
Sendung: "Allegro" am 27. Mai 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (5)
Donnerstag, 09.Juni, 14:44 Uhr
Ulrich Haage
Wagnerianer*innen? Besucher*innen??
Jetzt bitte nicht auf halbem Wege haltmachen. Bitte endlich die Wagnertexte sprachsensibilieren!
Samstag, 28.Mai, 11:58 Uhr
Konrad Schemer
Bayreuther Festspiele
"Das Mekka der Wagnerianer*innen bereitet sich auf eine absolute Neuheit vor: Es wird heuer zwei Premieren geben!"
Es handelt sich dabei keineswegs um eine absolute Neuheit: schon im Jahr 1981 durften sich die Wagnerianer auf zwei Neuinszenierungen freuen, nämlich Tristan und Meistersinger.
Freitag, 27.Mai, 21:20 Uhr
Bernd Vielitz
2 Neuinszenierungen
Zwei Neuinszenierungen gab es in Bayreuth auch 1981 (Meistersinger und Tristan)
Freitag, 27.Mai, 11:34 Uhr
Dr. Michael Strobel
Bayreuth
Wie Sie selber schon richtig bemerkt haben, hat Wolfgang Windgassen regelmäßig in Bayreuth mehrere zentrale Rollen gleichzeitig betreut und das über 20 Jahre. Nur hat heute kein Tenor mehr diese Kondition und das entsprechende künstlerische Format, außer eben Stephen Gould. Aber rekordverdächtig ist nur Windgassen, der halt singen konnte und das alles ohne stimmlichen Schaden überstanden hat.
Mittwoch, 25.Mai, 18:41 Uhr
Alexander Störzel
Was erwartet uns dieses Jahr in Bayreuth?
Ich wünsche dem ganzen Team, allen Protagonisten sehr viel Glück und Erfolg in schwieriger Zeit. Alle Achtung - es wurde sich sehr viel vorgenommen. Hoffentlich sehen wir uns Alle in einer besseren Welt wieder.