Es war Wagners Traum: Ein Festspielhaus, in dem nur seine Bühnenwerke aufgeführt werden. Doch das kostet Geld. Und davon hatte Wagner nie besonders viel. Das ist ein Problem, denn der geplante Beginn der ersten Festspiele rückt immer näher. Das hält Wagner aber nicht davon ab, auf dem Dach des neuen Gebäudes Richtfest zu feiern.
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Schon seit Tagen ist Wagners Schwiegervater Franz Liszt zu Gast. Wagner mag es nicht, dass seine Frau Cosima mit ihm Französisch spricht. Sie beachte ihn gar nicht, wenn ihr Vater da sei, behauptet er. Bei einem Familienessen mit Liszt gibt es Streit unter den Wagner-Kindern. Cosima verlangt, dass Wagner seine Töchter züchtigt. Er gibt ihnen zum ersten Mal in seinem Leben einen Schlag. Abends bricht er in haltloses Weinen aus. Er habe kein Recht, schluchzt er, seine Kinder zu schlagen.
Richard Wagner | Bildquelle: Archiv des Bayerischen Rundfunks Derweil ist in der Festspielkasse Ebbe. Bislang haben die Mäzene erst 150.000 Gulden gespendet. Das reicht nicht. Wagner hat deswegen bereits an Reichskanzler Bismarck geschrieben, doch der antwortet nicht. Schließlich ist der große Tag da. Um fünf Uhr nachmittags klettert Wagner bei strahlendem Sonnenschein auf das 30 Meter hohe Gerüst über dem Festspielhaus. Oben erwarten ihn die Arbeiter, Cosima mit den Kindern und Franz Liszt in seinem Abbé-Gewand. Der Polier hebt ein Weinglas und spricht den sogenannten Hebespruch. Eigentlich soll darin Wagner als Bauherr gerühmt werden, doch der Meister hat den Text umgedichtet. Nicht er sei der Bauherr, sondern der deutsche Geist.
Nun setzten wir auf's Haus das Dach,
bewahr' es Gott vor Sturz und Krach!
Lass' ich jetzt den Bauherrn leben,
welchen Namen soll ich ihm geben?
Ob Wagner oder seine Patrone
oder gar der im Lande trägt die Krone?
Der sich als besten Bauherrn erweist,
es lebe, so ruf' ich, der deutsche Geist! Hoch!
Alle stimmen in die Hoch-Rufe ein, während der Polier das Weinglas austrinkt und in hohem Bogen von sich wirft. Eine Militärkapelle spielt den Choral "Nun danket alle Gott". Anschließend gibt es ein Festmahl und ein Feuerwerk.
Bildquelle: picture alliance/Heritage Images Wenige Tage später verabschiedet sich Cosima von ihrem Vater Franz Liszt. Dabei wird sie wehmütig - viel zu wehmütig, meint Wagner, der wieder eifersüchtig auf seinen Schwiegervater wird und einen Wutanfall bekommt. Kurz darauf schreibt er seinen Mäzenen, dass sich der Beginn der Festspiele aus finanziellen Gründen um mehrere Jahre verschiebt.
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