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Start von Apple Classical Music Wie gut ist der neue Streamingdienst?

Diese Woche startet Apple Music Classical – eine Musikstreaming-App, die die Bedürfnisse der Klassikfans besser bedienen will als die Konkurrenz. Bietet der Streamingdienst mehr als Idagio, Qobuz oder Spotify?

Mann hält Smartphon mit neuer Apple App | Bildquelle: BR

Bildquelle: BR

Streamingdienste spülen wieder Geld in die Kassen der Musikindustrie: Die ist im vergangenen Jahr um satte neun Prozent gewachsen, vor allem dank Spotify, Apple Music und anderer kostenpflichtiger Streaming-Anbieter. Die erwirtschaften 67 Prozent des Umsatzes, wie der Dachverband des Bundesverbandes Musikindustrie (BVMI) jüngst in London bekanntgab. In der Klassik-Sparte sieht das Verhältnis übrigens genau umgekehrt aus. Hier werden rund zwei Drittel noch immer mit physischen Tonträgern, hauptsächlich also mit CDs, erwirtschaftet. 

YouTube und Spotify: Kaum zugängliche Fülle 

Dass die Hörer:innen klassischer Musik so zäh an altbekannten Abspielmöglichkeiten festhalten, liegt aber keinesfalls nur an ihrem höheren Alter oder einer grundsätzlichen Abneigung der Technik gegenüber. Vielmehr scheinen die meisten Streamingdienste nicht geeignet, die Ansprüche potenzieller Klassik-Kund:innen zu erfüllen. Auf YouTube, dem wohl größten und sicher chaotischsten Archiv der Menschheitsgeschichte, finden sich zwar durchaus erlesene und seltene Aufnahmen, die auf CD gar nicht mehr ohne weiteres verfügbar sind. Meistens aber in mäßiger Tonqualität – und zudem in der kostenfreien Version mit lästiger Werbung durchsetzt. Wer Bachs h-Moll-Messe hört, mag ungern mitten im "Agnus Dei" auf die "absolut irrsten Reiseangebote mit den superbesten Preisen aller Zeiten" hingewiesen werden.

Audio-Streaming, Symbolbild | Bildquelle: picture-alliance/dpa Bildquelle: picture-alliance/dpa Dass auch Spotify, derzeit der Streamingdienst mit den meisten Abonnent:innen weltweit, nicht eigentlich für Klassik-Fans gedacht war, ist evident: Weder ist es möglich, gezielt nach bestimmten Aufnahmen oder gar einzelnen Sätzen zu suchen, noch werden umfassende Informationen zur Besetzung oder zum Zeitpunkt der Aufzeichnung der angebotenen Musikstücke geliefert. Stattdessen: "Klassik zum Frühstück", "Klassik zum Entspannen", "Klassik zum Lernen". 

Qobuz und Idagio besser geeignet für Klassik-Fans 

Kein Wunder also, dass sich inzwischen etliche Streamingdienste speziell für klassische Musik etabliert haben, die durch ein besseres Angebot mit dem schwedischen Riesenunternehmen Spotify konkurrieren möchten. Schauen wir sie uns an: Qobuz zum Beispiel bietet zwar auch Rock- und Pop-Musik, ist aber für Klassik-Fans durchaus interessant. Hier werden zu vielen Aufnahmen digitale Booklets angeboten. Ein besonderes Augenmerk legt Qobuz auf den Klang. Downloads haben mindestens CD-Qualität.

Noch ambitionierter ist Idagio, ein 2015 gegründeter Streamingdienst mit Sitz in Berlin, der ausschließlich klassische Musik im Programm hat. Eine umfangreiche, übersichtlich gegliederte Musikbibliothek stellt den Kern des Unternehmens dar. Wer hier zum Beispiel nach Beethovens 9. Sinfonie sucht, wird bestens bedient: 143 Dirigenten von A wie Abbado bis Z wie Zweeden umfasst die Liste, wobei Furtwängler mit 29 und Karajan mit 24 Einspielungen die Spitzenplätze belegen; neben den Original- sind auch die technisch überarbeiteten Aufnahmen enthalten. Wer ausgiebige Interpretationsvergleiche anstellen möchte, dem bieten sich hier paradiesische Zustände. 

Digitale Kuratierung lautet die Herausforderung

Holger Noltze | Bildquelle: picture alliance / ZB | Marc Tirl Autor und Streamingdienstbetreiber Holger Noltze | Bildquelle: picture alliance / ZB | Marc Tirl Doch digitale Musikvermittlung sollte mehr können. Davon ist Holger Noltze, Musikjournalist und Professor für Musik und Medien in Dortmund, überzeugt. Er selbst hat den Streamingdienst "Takt1" gegründet, um nicht nur Musik zu streamen, sondern zum Beispiel auch durch die Kameraführung oder Lichtgestaltung bei Konzertübertragungen im Videostream ein neues Erlebnis zu vermitteln. Noltze betont eine der wichtigsten Aufgaben, wenn es um den gigantischen Reichtum einer rund einhundertjährigen Aufnahmegeschichte geht: "Wir haben eigentlich alles. Was uns fehlt, ist die Auswahl, die Zuspitzung, die Hinleitung." Kuratierung lautet also die Herausforderung. Dabei wird die Überfülle begrenzt, Verbindungen geschaffen und verschiedene Elemente so in Beziehung gesetzt, dass sie sich wechselseitig befruchten.

Apple Music Classical – ein neues Angebot 

Fast scheint es, als hätte der Tech-Riese Apple im fernen Kalifornien Holger Noltze erhört. Einige seiner Ideen werden im neuesten Streamingdienst auf dem Klassik-Markt nämlich realisiert. Apple Music Classical erscheint am 28. März. Zunächst einmal unterscheidet sich das neue Angebot nicht grundsätzlich von anderen Diensten: Dank einer komfortablen Suchfunktion kann man auf über fünf Millionen Titel (bezogen auf 115.000 Werke von über 20.000 Komponist:innen) zugreifen und mit einer Audioqualität von bis zu 24 Bit/192 kHz wiedergeben.

Das ist zweifellos ein quantitativer Mehrwert, aber nichts grundsätzlich Neues. Doch Apple will seine Kund:innen nicht unberaten vor einem kaum bezwingbaren Berg musikalischer Daten stehen lassen. Vielmehr reichen ihm Kurator:innen die Hand, um kundig durch das Angebot zu führen.

Musikunterricht von Apple

Komponisten-Porträt gestaltet für Apple App | Bildquelle: Apple Johann Sebastian Bach im Porträt, das extra für die Apple-App gestaltete wurde. | Bildquelle: Apple So weisen die Apple-Redakteur:innen den Weg durch die jahrhundertealte, höchst vielfältige Musikgeschichte. "The story of classical" verspricht gewissermaßen eine unterhaltsame Art des Musikunterrichts für Anfänger:innen und Fortgeschrittene: Epochen werden charakterisiert, Komponist:innen vorgestellt und Fachbegriffe erläutert. Dabei sollen keineswegs nur die "Vier Jahreszeiten" oder die "Kleine Nachtmusik" als "Klassik zum Entspannen" einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden, sondern auch weniger bekannte Werke in den Fokus geraten.

Um bei so vielfältigem Hörgenuss den Seh-Sinn nicht gänzlich verkümmern zu lassen, hat eine ganze Reihe von Künstler:innen überdies mit Bildprogrammen Portraits von Johann Sebastian Bach, Frédéric Chopin oder Fanny Mendelssohn entworfen, die als Cover unterschiedliche Playlists zieren. Branchengrößen wie etwa die Berliner und Wiener Philharmoniker, die Carnegie Hall, die Met oder die Pariser Oper kooperieren mit Apple, um den Kund:innen exklusive Aufnahmen zu bieten.

Das kostet Apple Music Classical

Apple Music Classical gibt es zunächst für alle iPhone-Modelle, ist aber bald auch für Android-Geräte verfügbar. Wer bereits Apple Music nutzt, hat das Klassik Angebot inklusive. Für alle anderen kostet es wie Spotify knapp 10 Euro im Monat und ist damit ein wenig günstiger als Idagio oder Qobuz. Ob sich die Gemeinde der Klassik-Hörer, die bislang so zäh den liebgewonnenen CDs anhängt, von diesem Angebot überzeugen lässt und in digitale Gefielde aufbrechen wird, bleibt abzuwarten. Dass ein Konzern wie Apple mit gehörigem Aufwand um die Gunst dieser vergleichsweise kleinen Schar buhlt, ist immerhin bemerkenswert.  

Sendung: "Leporello" am 28. März 2023 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (4)

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Dienstag, 04.April, 19:16 Uhr

Menzel Holger

Apple Music Classical

Die Suchfunktion ist grottenschlecht. Ich kann leider eben nicht nach „ Puccini, Pavarotti und Freni“ suchen sondern nur einzeln nach Puccini oder Pavarotti oder Freni. Ergebnis jeweils hunderte von Treffern. Bisher überzeugt die App mich jedenfalls nicht.

Mittwoch, 29.März, 15:16 Uhr

Jörg Urbach

Apple Music

Kurze Ergänzung: Das Prinzip des menschlichen Kuratierens und Empfehlens hat Apple übrigens vor ca. 2 Jahren direkt mit dem Streamingdienst Primephonic "eingekauft", der quasi die Grundlage für das neue System bildet. Ich kann nur sagen: Damals war ich mit Primephonic sehr zufrieden!

Mittwoch, 29.März, 12:33 Uhr

Cpt

Spotify - Erweiterte Suche

Ja, Spotify lässt einen bei der Suche manchmal schier verzweifeln. Und seit Jahren frage ich mich, warum es denn keine "Erweiterte Suche"-Maske in der App gibt.
Denn eine erweiterte Suche ist durchaus möglich nur leider aktuell sehr umständlich, da die Parameter in das Suchfeld mit eingegeben werden müssen.

z.B.:
mozart AND label:"Deutsche Grammophon" AND Artist:"Berliner Philharmoniker"

https://web.archive.org/web/20120704131650/http://www.spotify.com/us/about/features/advanced-search-syntax/

Dienstag, 28.März, 19:18 Uhr

Fernando Galindo Cruz

BR Klassik

Ich höre täglich BR Klassik live in Mexiko. Der Streamdienst funktioniert super und das Programm finde ich fantastisch. Sicher kann Apple irgendwas von BR Klassik lernen.
Vielen Dank!

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