Für jede Tageszeit, für jede Stimmung gibt es im Internet die passende Playlist. Aber verändern Neue Medien eigentlich die Art, wie wir Musik hören? Oder sogar, wie Musik heute klingt? Im BR-KLASSIK Wissens-Podcast "Kosmos Musik" unterhält sich die Astrophysikerin Suzanna Randall darüber mit Nicolas Ruth, Musik- und Medienwissenschaftler aus Würzburg.
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Wenn ich im Fitnessstudio trainiere, streame ich nebenbei immer Musik übers Smartphone. Die passende Playlist sorgt für den richtigen Beat und motiviert mich, durchzuhalten. Ungefähr die Hälfe unseres Musikkonsums läuft über Streamingdienste im Internet, Tendenz steigend - das hat eine Studie der International Federation of the Phonographic Industry ergeben. Insgesamt hören wir ungefähr zweieinhalb Stunden Musik pro Tag.
Der Musikwissenschaftler Nicolas Ruth erforscht, wie Neue Medien unseren Musikkonsum verändern. Denn der Zugang zu Musik war nie so leicht wie heute. Im Internet habe ich eine riesige Auswahl an Musikstücken, da kann kein CD-Regal mithalten. Sind wir dadurch offener für andere Musikrichtungen geworden, weil wir alles unkompliziert anhören können? Oder bleiben wir doch eher in unserer Filterblase, unserer Bubble, weil Algorithmen uns immer ähnliche Musik vorschlagen?
Joggen, Kochen oder Auto fahren: Für jede Situation liefern Streamingdenste passende Playlists. Täglich hören wir mehr als zwei Stunden Musik. | Bildquelle: picture alliance / dpa Themendienst | Tobias Hase Nicolas Ruth beobachtet beides: "Aus wirtschaftlicher Perspektive ist es natürlich so, dass die Streamingdienste versuchen, uns Musik vorzuschlagen, die uns gefällt. Dann bleiben wir eher in dieser Bubble. Auf der anderen Seite haben wir durch die Streaming-Angebote vielmehr Möglichkeiten, Neues zu entdecken." Denn Wiedergabelisten wie "Fitness-Workout" oder "Relaxen bei Kerzenschein" enthalten nicht nur Musikstücke eines Genres, sondern werden nach Parametern wie "energetisch" oder "entspannend" zusammengestellt.
Warum ist Singen gut fürs Immunsystem? Wie klingt das Weltall? Und wie musizierten die Menschen in der Steinzeit? Auf diese und andere spannende Fragen antwortet der Wissens-Podcast "Kosmos Musik" mit der Astrophysikerin und angehenden Astronautin Suzanna Randall. Jede Woche donnerstags eine neue Folge: bei BR Podcast, in der ARD Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt.
Streaming-Portale setzen auf bequeme, nutzerfreundliche Modelle. Aber was haben die Künstlerinnen und Künstler davon? Bei Spotify werden sie nach der Pro Stream Rate bezahlt, also danach, wie oft ihr Musikfile gehört wurde. Wird ein Musikstück mindestens 30 Sekunden in Deutschland gestreamt, bekommt man dafür 0,3 Cent. Das klingt für mich erst mal nach sehr wenig. Aber Nicolas Ruth meint, dass sich dieses Geschäftsmodell trotzdem lohnen kann: "Wenn man einen Song hat, der viel gehört wird und es in gute Playlisten schafft, hat man durchaus auch Verdienste, die man einfahren kann."
Für Ruth ist das Streaming-Modell viel nachhaltiger als etwa der Verkauf von CDs. Denn ob ich eine CD zehn- oder hundertmal abspiele, macht für die Musikerin oder den Musiker keinen Unterschied. Sie bekommen nur einmal Geld, nämlich beim Verkauf der CD. Im Internet hingegen erhalten sie jedes Mal einen kleinen Betrag.
Da liegt natürlich die Idee nahe: Wenn mein Song kürzer ist, kann er pro Stunde viel öfter gehört werden und generiert auch mehr Klicks. Diese Beobachtung macht Nicolas Ruth tatsächlich: "Wenn man sich die Chart-Songs der letzten Jahrzehnte anschaut, dann werden die Songs kürzer." Durch Playlists sei es natürlich attraktiv, gar kein Intro zu machen und direkt die eingängigen Melodien am Anfang zu präsentieren, so Ruth. "Ich glaube, diese Überlegungen fließen mittlerweile in die Komposition ein." Das Streaming verändert also nicht nur unseren Musikkonsum, sondern tatsächlich auch die Musik selbst.
Sendung: "Allegro" am 17. März 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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