Pianist João Carlos Martins galt als Wunderkind am Klavier und spielte mit 21 Jahren in der Carnegie-Hall. Dann machte ein Nervenleiden seine Hände jahrzehntelang unbrauchbar. Nun kann er dank bionischer Handschuhe wieder spielen.
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Vorsichtig setzt der Maestro die Hände auf. Voller Erstaunen beobachtet er dabei seine Finger, als könne er selbst nicht glauben, was er da hört und sieht, verpackt in den seltsamen, schwarzen Handschuhen wandern sie über die Tasten: Hatten ihm nicht alle gesagt, er könne nie wieder Klavier spielen? Doch nun ist das Wunder passiert.
In Brasilien kennt ihn jeder als „Maestro“, als den großen Meister. João Carlos Martins gilt als einer der größten Pianisten Südamerikas und wurde als innovativer Bachinterpret gefeiert. Mit 21 Jahren begeistert er New York in der Carnegie-Hall – doch kurz danach beginnt sein Albtraum. Seine Hände gehorchen ihm nicht mehr. Eine Nervenstörung: Martins Finger beginnen ein Eigenleben, bewegen sich allein, zittern, krampfen, krallen. Die Ärzte vermuten ein psychologisches Problem. Es vergehen Jahre, bis es für das, was er hat, überhaupt einen Namen gibt.
Fokale Dystonie, eine neurologische Bewegungsstörung. Forscher beschreiben es als ein gar nicht so seltenes Krankheitsbild bei Musiker:innen. Martins selbst erinnert sich noch an die ersten Symptome: „Die tauchten auf, als ich 16 Jahre alt war. Ich merkte, dass etwas mit meiner rechten Hand nicht stimmt. Aber ich fand auch heraus, dass das Problem zeitweise verschwand, wenn ich vor dem Spielen schlief. Also kam ich immer sechs, sieben Stunden vor dem Konzert ins Theater und schlief bis 15 Minuten vor dem Auftritt. Das Publikum merkte nichts. Dennoch musste er seine Karriere beenden, denn nach einem Unfall und einem Überfall verliert der Starpianist die Kraft in seinen Fingern. Ein langer Leidensweg folgt, Operationen, Therapien, oft sei er am Ende gewesen mit seiner Kraft, erzählt Martins Jahrzehnte später.
Stellen Sie sich das Leben eines Pianisten vor, der beobachtet, wie seine Hände nach und nach ihre Bewegungsfähigkeit verlieren.
Er gibt das Klavier auf, wird Dirigent. Und nun mit 82 Jahren kann er wieder spielen: Es ist ein Wunder, sagt er selbst. Er verdankt es einem Industriedesigner.
Bildquelle: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Andre Penner Ubiratan Bizarro Costa ist Industriedesigner und kennt die Geschichte von Martins aus dem Fernsehen. Irgendwann kommt ihm eine Idee: Er sieht sich Videos des Meisters an, vermisst, schraubt, schneidet und druckt schließlich aus einem 3D-Drucker einen Handschuh aus schwarzem Neopren, mit langen Stäben und Federn, mit dem die gekrümmten Finger wieder gerade werden sollen. Bionische Strickhandschuhe nennt sie Ubiratan Bizarro. Dann übergibt er diese dem Maestro.
Zunächst kann der „Maestro“ mit dem Geschenk wenig anfangen, doch dann lässt er sich darauf ein. Gemeinsam feilen sie an den Cyborg-Handschuhe, und 2020 spielt Martins die ersten Takte auf dem Klavier.
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Bionic Gloves Allow Pianist João Carlos to Play Again | NowThis
Seitdem trainiert er und ist nun mit 82 wieder zurück auf den großen Bühnen. Beim Konzert im Teatro do Sesi im São Paulo beweist Martins der Welt, dass man nie aufgeben darf, an sich und auch an die Technik zu glauben.
Sendung: "Allegro" am 25. April 2023, um 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Donnerstag, 27.April, 09:53 Uhr
Martin Brunnemann
Pianist Joao...
Unglaublich. Ich bin 78 Jahre alt. Jetzt werde ich wieder anfangen zu üben - für Hausmusik