BR-KLASSIK

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Mittwoch, 03.05.2023

22:15 bis 23:00 Uhr

ARD alpha

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Für ihre Interviewtermine muss die Lokalreporterin weite Strecken fahren: Cornelia Meerkatz berichtet aus dem Landkreis Vorpommern-Greifswald für die Ostsee-Zeitung. Meerkatz ist zu Gast beim Ruderverein in Wolgast und interviewt einen Nachwuchssportler. | Bildquelle: BR/NDR/Laura Borchardt

Bildquelle: BR/NDR/Laura Borchardt

Pressefreiheit Die Lokalzeitung · Von gestern oder unverzichtbar

Zeitdruck, Anfeindungen, digitaler Wandel. Es sind unruhige Zeiten für Lokaljournalist*innen.

Mitwirkende

 
Redaktion Andrea Wich
Zeitdruck, Anfeindungen, digitaler Wandel. Es sind unruhige Zeiten für Lokaljournalist*innen. Die NDR Reporterinnen Laura Borchardt und Inga Mathwig haben zwei Reporterinnen und einen Reporter monatelang bei ihrer Arbeit begleitet und erleben mit, wie anspruchsvoll deren Job geworden ist.

Das Ergebnis ist eine spannende und berührende Reportage über die Arbeit lokaler Journalistinnen und Journalisten. Ein Film über die Perspektiven lokaler Berichterstattung und ihren Beitrag für die Demokratie.

In Sachsen werden Laura Borchardt und Inga Mathwig Zeuginnen von Anfeindungen gegenüber einer Reporterin der „Sächsischen Zeitung“. In Mecklenburg-Vorpommern erfahren sie, was es heißt, möglichst vielen Menschen in einem riesigen Gebiet gerecht zu werden. Und in Niedersachsen erleben sie mit, wie ein Reporter einer heißen journalistischen Spur nachgeht.

Die Lokaljournalist*innen lassen die Filmemacherinnen an ihrem Berufsalltag teilhaben und teilen ihre persönliche Einschätzung über die Zukunft der Lokalzeitung. Gleichzeitig thematisiert der Film die Rolle lokaler Zeitungen für die regionale und überregionale Politik.

“Euer Blatt benutze ich, um mir damit den A … abzuwischen!” Solche Anfeindungen muss Franziska Klemenz in ihrem Alltag als Lokalreporterin aushalten. Sie berichtet für die “Sächsische Zeitung” aus Dresden und Ostsachsen, von Pegida-Demos und Querdenker-Versammlungen. Hass und Gewalt gegenüber Journalistinnen und Journalisten sind in der Pandemie stark angestiegen, körperliche Angriffe haben sich 2020 im Vergleich zum Vorjahr verfünffacht. Trotzdem geht Franziska Klemenz immer wieder zu solchen Terminen, lässt sich nicht einschüchtern.

Für Lokalreporter*innen wird es aber immer schwieriger, stets vor Ort zu sein. Der Landkreis Vorpommern-Greifswald, aus dem Cornelia Meerkatz für die “Ostsee-Zeitung” berichtet, ist größer als das Saarland. Noch vor einigen Jahren war es ausreichend, einen Artikel bis zum Andruck am Vorabend niederzuschreiben. Heute muss die 64-Jährige ihre Geschichten so schnell wie möglich online veröffentlichen, der Stress gehört zum Alltag. Die

“Ostsee-Zeitung” gehört mit 14 anderen Regionalzeitungen zum großen Madsack-Konzern aus Hannover. Wie alle Verlage muss das Medienhaus digital Umsätze erwirtschaften, denn das Printgeschäft wird immer weniger. Doch noch sind nicht genügend Menschen bereit, für digitalen Journalismus zu zahlen.

Zusätzlich macht den Lokalzeitungen die kostenlose Konkurrenz aus dem Netz zu schaffen. Um sich davon abzuheben, setzt die “Ostfriesen-Zeitung” vermehrt auf hintergründige Recherchen. Reporter Daniel Noglik hat wieder eine neue Spur: Er will herausfinden, ob ehemalige Mitarbeitende der örtlichen Sparkasse in einen Kreditbetrug verwickelt sind. Seine Arbeit ist ein wichtiges Korrektiv zur lokalen Politik und Wirtschaft. Doch Recherche kostet

Zeit und Geld, dafür verzichtet die Zeitung darauf, über alle Ortstermine zu berichten. Das verärgert die kommunale Politik. Der Chefredakteur der “Ostfriesen-Zeitung” muss sich im Rathaus den Fragen aufgebrachter Gemeindevertreter*innen stellen. Der Druck auf lokale Journalisten steigt. Von allen Seiten.

Doch werden Lokalzeitungen heute überhaupt noch gebraucht? Was bedeutet es für die Demokratie und Gesellschaft, wenn Berichterstattung aus einer Region verschwindet? Welche Folgen hat es, wenn die Vielfalt der Perspektiven auf ein Thema abnimmt?

Wiebke Möhring, Professorin für Online- und Printjournalismus an der TU Dortmund, forscht seit über 25 Jahren zum Thema Lokaljournalismus. Sie stellt bereits jetzt eine mediale Unterversorgung in einigen Regionen fest. Und dann? Dann kommen die Informationen irgendwann direkt mit dem “Amtsblatt” aus dem Rathaus. Und niemand überprüft, ob es bei der Wahl der neuen Bürgermeisterin oder bei der Vergabe des millionenteuren Bauplatzes in der Ortsmitte mit rechten Dingen zugegangen ist.

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