Bildquelle: Radioforen
Staub, Spinnweben, zerbrochener Schellack, kaputte Regale und Tonbandsalat. Das Archiv von Radio Tirana, gegründet 1938, eines der ältesten Radioarchive Europas, steht heute unmittelbar vor seiner Selbstauflösung. Ein atmosphärisch dichter Rundgang mit Mundschutz durch endlose Korridore und Kellerräume mit Klangproben aus 8000 Schellackplatten und 15000 Tonbändern lässt das einzigartige Bild eines klanglich wie politisch isolierten Staates am Rande des kommunistischen Europa entstehen. Zusammen mit den Technikern des Archivs bringen wir die Studer-Bandmaschine zum Laufen mit Liedern über stolzen Partisanen, kollektivierte Bauern und glückliche Traktoristinnen. Aber auch Biographien und Schicksale der Künstler kommen ans Licht, die wegen "imperialistischer Propaganda", westlicher Einflüsse in ihrer Musik oder dem Fälschen von Straßenbahnfahrkarten zu lebenslanger Zwangsarbeit oder sogar zum Tode verurteilt wurden.
Die zweite Hälfte dieses Doppel-Features bildet eine exklusive künstlerische Collage der Klangnomaden vom Berlin-New Yorker „Soundwalk Collective“. Stephan Crasneancki, Simone Merli und Kamran Sadeghi reflektieren über die Vergänglichkeit von Klängen, politische Klangzensur und die stille Poetik eines Archivs, dessen tönende Äußerungen sich zwischen Marginalisierung und Vergessenheit, zwischen Hörbarkeit und Unhörbarkeit bewegen und die für Jahrzehnte hinter dem Eisernen Vorhang verschwunden waren.
Eine abgründige Reise in die schizophrene musikalische Welt des Kalten Krieges in 2 Teilen.