BR-KLASSIK

Inhalt

Montag, 15.08.2022

17:05 bis 18:00 Uhr

BR-KLASSIK

zur Übersicht
Metronom von Johann Nepomuk Mälzel von 1815, Sammlung Tony Bingham, London | Bildquelle: © Basel Historical Museum

Bildquelle: © Basel Historical Museum

BR-KLASSIK - "Als man anfing, die Zeit auch in der Musik zu messen"

Zum 250. Geburtstag von Johann Nepomuk Mälzel

Das Metronom - Verfluchtes Taktkorsett und hilfreicher Tempofinder

Tick Tack, Tick Tack, Tick Tack.
Welcher Musikschüler, Musikstudent, Musiker kennt es nicht, dieses nachhaltig penetrante, nervige Klacken, das uns zwingt, im Takt zu bleiben und ein Gefühl für Gleichmaß zu entwickeln. Ein Taktgeber, der uns in ein metrisches Korsett zwingt, wo wir doch viel lieber unserer rhythmischen Gestaltungsfreiheit frönen würden. Eine Messuhr, die uns ziemlich genau oder auch nur ungefähr anzeigt, mit welchem Tempo uns ein Komponist in seiner Musik konfrontiert, wo wir doch viel lieber unser eigenes finden würden. Oder etwa nicht?


Das Bedürfnis nach einer gewissen ‚Hilfestellung‘ was das „Takthalten“ und „Tempofinden“ betrifft, scheint auch heute, gut 200 Jahre nach der Entwicklung des Metronoms, noch weit verbreitet zu sein, zumal die Nutzung dieser Hilfestellung als Alleskönner-App am Handy auch noch sehr bequem geworden ist. Da muss man dann nicht erst eine Feder aufziehen, den Frontdeckel eines pyramidenförmigen Holzkastens abnehmen, eine flache Pendelstange aus ihrer Verankerung lösen und dann von Hand ein Gewicht entlang einzelner ausgewählter Einkerbungen dorthin schieben, wo einem die geforderte Anzahl von Schlägen pro Minute angeboten wird, von 40 ganz oben bis 208 ganz unten.


Erfunden hat dieses Wunderwerk Johann Nepomuk Mälzel. Doch, was heißt erfunden! Er hat es abgekupfert, also dem niederländischen Mechaniker Diederich Nicolaus Winkel quasi „abgeschaut“ und sicherheitshalber 1815 darauf auch gleich ein Patent angemeldet.



Johann Nepomuk Mälzel - Hofkammermaschinist, Beethovenfreund, Marketingstratege

Der Sohn eines Orgelbauers und Mechanikers wurde am 15. August 1772 in Regensburg geboren und kam im gleichen Jahr wie der 2 Jahre ältere Ludwig van Beethoven 1792 nach Wien. Dort lernten sich beide kennen und schätzen. Beide ließen sich hier, im Mekka der mechanischen Flötenuhren inspirieren: Mälzel von der hoch entwickelten Handwerkskunst ihrer Anfertigung und Beethoven von dem ausgeprägten musikalischen Interesse an deren Musik, die zu komponieren man ja schon Hadyn und Mozart verpflichtete.


So schrieb auch Beethoven Stücke für die ‚Flötenuhr‘ , kleine Orgelautomaten, aus denen Mälzel schrittweise ein immer größeres mechanisches Orchester werden ließ, das schließlich in seinem berühmt gewordenen ‚Panharmonicon‘ gipfelte. Dieses bestand aus 259 einzelnen Stimmen und war in der Lage eine ganze Militärkapelle nebst Schlagzeug zu imitieren. Für eben dieses Panharmonicon konzipierte Beethoven zusammen mit Mälzel seine Schlachtensymphonie Wellingtons Sieg. Darüber hinaus baute Mälzel Hörrohre für den zunehmend an Taubheit leidenden Maestro und machte im Zuge der napoleonischen Kriege mit bahnbrechenden Beinprothesen Furore, die bereits eine siebenfache Biegung des Knies erlaubten.


Als überaus geschickter Marketingstratege kam er seinem Freund allerdings auch dann und wann in die Quere. Weil Beethoven sich finanziell übervorteilt glaubte, „ruhte“ die Freundschaft der beiden für einige Zeit. Schließlich reiste Mälzel mit seinen mechanischen Musikinstrumenten um die halbe Welt und führte seine Attraktionen in regelrechten Showveranstaltungen sogar auf dem amerikanischen Kontinent vor. Dort starb er überaus vermögend am 21. Juli 1838 während einer Schiffspassage von Kuba nach Philadelphia.



Stephan Ametsbichler folgt den biographischen Spuren des genialen Tüftlers gerade auch dorthin, wo sich dessen Wege mit denen seinen Freundes Beethoven kreuzen und, zusammen mit Beethovens Musik, auch ein Stück weit in die selbe Richtung gehen.

Betrachtungen über den begabten Pianisten, vielseitigen Erfinder und umstrittenen Beethovenfreund
Von Stephan Ametsbichler
Mit Werken von Ludwig van Beethoven: "Wellingtons Sieg oder Die Schlacht bei Vittoria", "Stücke für die Flötenuhr" und anderen

    AV-Player