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Ein echter Schatz kam vor einigen Monaten ans Licht, als ein Tonmeister von BR-KLASSIK alte Magnetbänder sortierte. Fast drei Jahrzehnte hatte der Mitschnitt im BR-Funkhaus geschlummert. Auf wunderbar lebendige Weise dokumentiert er die inspirierende Probenarbeit eines der größten Dirigenten des 20. Jahrhunderts: Leonard Bernstein erarbeitet mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks Schuberts "Große" C-Dur-Symphonie. Nun haben Karlheinz Steinkeller und Bernhard Neuhoff aus dem Material ein Feature gemacht. Die Erstsendung auf BR-KLASSIK ist am ersten Weihnachtstag um 15.05 Uhr.
Es war eine Liebesbeziehung. Für Leonard Bernstein, den charismatischen Weltumarmer, war das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks neben den Wiener Philharmonikern der wichtigste Partner in Europa. Was für ein Privileg! Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks war das einzige deutsche Orchester, das regelmäßig mit dem großen Dirigenten arbeiten durfte. Das lag natürlich auch daran, dass Herbert von Karajan eifersüchtig über die Berliner Philharmoniker wachte. Bernstein, seinen gefährlichsten Rivalen, ließ Karajan nur ein einziges Mal bei seinem Orchester auftreten. Umso glücklicher wurde Lenny in München. 1976 kam er zum ersten Mal. Zur Sternstunde wurde 1981 Wagners "Tristan", eine bis heute legendäre Einspielung. Und ab 1983 kam Bernstein jedes Jahr nach Bayern. Sein letztes Konzert mit dem Symphonieorchester gab er 1990, ein halbes Jahr von seinem Tod.
Wie nah Bernstein den BR-Musikern stand, offenbaren die Probenmitschnitte, die er zu seltenen Gelegenheiten genehmigte. Es sind einzigartige Dokumente. Bislang war nur die Aufnahme der Proben zu "Tristan und Isolde" aus dem Jahr 1981 bekannt. Der nun entdeckte Mitschnitt dokumentiert Bernsteins mitreißende Probenarbeit an einem zentralen Werk, einem Herzstück des symphonischen Repertoires: Schuberts "Großer" C-Dur-Symphonie. Entstanden ist er im Juni 1987 im Kongresssaal des Deutschen Museums in München, wo damals auch das Konzert stattfand. Bernstein spricht ein erstaunlich gutes Deutsch, wirkt morgens bei Probenbeginn zunächst noch ein wenig müde, kommt dann aber nach und nach in große Form. Er brummt und knurrt, findet Bilder und Vergleiche, singt mit und ruft beim Dirigieren anfeuernd ins Orchester. Nach wenigen Minuten hat Bernstein alle Müdigkeit vergessen: Ein Musiker, der sich verausgabt – und seine Kollegen dazu bringt, wie um ihr Leben zu spielen.