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Album-Klassiker des Jazz vorgestellt im Gespräch - Vol. 43 Hören wir Classics und reden darüber

Unser Sende-Format "Hören wir Gutes und reden darüber" wurde 2022 in der Kategorie "Beste Sendung" mit dem Deutschen Radiopreis ausgezeichnet. Zu ausgewählten Terminen überraschen wir uns mit Album-Klassikern des Jazz.

Bildquelle: Verve

29.01.2025

Classics Sounds in Jazz: Hören wir Classics und reden darüber!

"Hören wir Classics und reden darüber" hier zum Nachhören.
In dieser Sendung haben sich Beate Sampson, Roland Spiegel und Ulrich Habersetzer zum dreiundvierzigsten Mal gegenseitig mit Alben überrascht: Niemand wusste vorher, was die jeweils anderen mitbringen würden. Über folgende drei Album-Klassiker des Jazz wurde in der Sendung gesprochen.

The Jimmy Giuffre 3: "The easy way" (Verve Records)

Ein Traum-Trio: Jimmy Giuffre (Saxophon und Klarinette), Ray Brown (Bass) und Jim Hall (Gitarre). 1959 nahmen sie Stücke auf, die noch im selben Jahr unter dem Titel "The easy way" auf einem Album veröffentlicht wurden. In ihnen hört man ein Trio, das Musik macht, als befänden sich die Musiker in einem leisen, besonders einfühlsamen Gespräch miteinander. Ein Aufeinander-Eingehen mit viel Fingerspitzengefühl und dem Gespür für die Luft, die die jeweils anderen dabei brauchen. Der Amerikaner Jimmy Giuffre (1921 bis 2008) war ein Intellektueller des Jazz, einer der ständig nach neuen Klang-Kombinationen suchte. Als Arrangeur und Mitmusiker der Big-Band von Woody Herman schrieb er einst den Klassiker "Four brothers". Und besonders bekannt ist sein auf Country-Elemente zurückgreifendes und auf feine Art lautmalerisches Stück "The train and the river" (etwa 1957 in dem Film-Klassiker "The Sound of Jazz"). Jim Hall (1930 bis 2013), der Kammermusiker der verstärkten Gitarre, und Bassist Ray Brown (1926 bis 2007), der große Unerschütterliche mit einer enormen Elastizität des Tons, der zeitweise Ella Fitzgeralds musikalischer Direktor und Ehemann war, finden zusammen mit Jimmy Giuffre einen leuchtende und nuancenreichen Ensemble-Klang, der ständig in höchst eleganter Bewegung ist. Selbst bei kniffligen Kompositionen Giuffres bleibt die Stimmung luftig und entspannt - und das Mackie-Messer-Thema "Mack The Knife" von Kurt Weill wird im Laufe der Aufnahme dieses Trios zur aufregenden, leisen Studie über die Töne und Harmonien des Songs. Ja, der Cool-Jazz, der hat Zähne.

Jutta Hipp with Zoot Sims (Blue Note Records)

Cover: Jutta Hipp with Zoot Sims | Bildquelle: Blue Note Records Bildquelle: Blue Note Records Cool klingt diese Musik, aber durchzogen mit einem feinen Feuer. Unendlich geschmeidig schnurrt das Tenorsaxophon zwischen samtig und soulig. Die Trompete spielt mit lässig-lakonischem Blues-Feeling, nie zu viel, nie zu aufdringlich. Bass und Schlagzeug swingen bedingungslos. Das Klavier verbindet alles durch eine entspannte Begleitung, aber auch durch bestechend klare Sololinien. Eine einzigartige Band spielt hier! Zwei Größen der New Yorker Szene: Bassist Ahmed Abdul-Malik und Schlagzeuger Ed Thigpen. Zwei Cool-Jazzer: Tenorsaxophonist Zoot Sims und Trompeter Jerry Lloyd. Und eine Pianistin aus Sachsen: Jutta Hipp.
Am 4. Februar 1925 in Leipzig geboren, lernte Jutta Hipp als Kind Klavier, interessierte sich aber mehr für swingende Rythmen als für klassische Etüden. Sie war wohl ein ziemlicher Freigeist und entdeckte den Jazz für sich. Anfang der 50er Jahre lebte sie in Bayern, ab 1952 war sie im Frankfurter Raum aktiv. 1955 ging Hipp in die USA und nahm 1956 für das Label "Blue Note" das Album "Jutta Hipp with Zoot Sims" auf. Leonard Feather, der Musikkritiker und Produzent, hatte sie gefördert, wollte aber wohl mehr als nur eine Geschäftsbeziehung. Hipp brach den Kontakt ab, Feather verriss sie daraufhin in der Presse. Jutta Hipp wurde zu einer tragischen Figur des Jazz, in den 60er Jahren zog sie sich vollständig von der Bühne zurück, schreib Gedichte, fotografierte und arbeitete als Schneiderin. 2003 starb sie in New York. Eine ganz Große des Jazz war sie trotzdem, das hört man auf "Jutta Hipp with Zoot Sims".

Bobby Hutcherson Quartet: "Happenings" (Blue Note Records)

Cover: Bobby Hutcherson - Happenings | Bildquelle: Blue Note Records Bildquelle: Blue Note Records Bobby Hutcherson gehörte zur Riege junger afroamerikanischer Jazzmusiker, die Alfred Lion und Francis Wolff - die aus Deutschland vor den Nazis nach New York geflohenen Gründer des Labels "Blue Note" - unter ihre Fittiche nahmen. Seinen Plattenvertrag bekam der Vibraphonist aus Kalifornien von ihnen 1963. Da war er 22 Jahre alt. Das vierte seiner insgesamt vierzehn Alben für die legendäre Plattenfirma kam 1966 heraus. Bobby Hutcherson nannte es "Happenings". Sechs eigene Kompositionen stellte er darauf vor und die bis dahin nur in einem Werbespot veröffentlichte Komposition "Maiden Voyage" von Pianist Herbie Hancock. Dieser junge Szene-Star spielte zusammen mit Bassist Bob Cranshaw und Schlagzeuger Joe Chambers in seiner Band mit. Der hörte man an, dass Bobby Hutcherson mit Bebop und Hardbop aufgewachsen war, und dass diese Tradition im Kern seines Spiels steckte. Aber er war auch ein Musiker, der sehr gerne neue Wege und experimentelle Klänge auslotete. Er brillierte dabei mit seinem präzisen, perkussiven Anschlag und dem effektvollen Auskosten des Oberton-Reichtums seines Instruments, setzte aber zugleich kompositorisch auch auf harmonische Reibungsflächen. So hat Bobby Hutcherson in der musikalischen Aufbruchsstimmung der 1960er Jahre den New Sound des Jazz mitgestaltet und gleichzeitig seinen zeitlos schönen Stil entwickelt, der ihn zu einem eleganten Meister klangfarbenleuchtender Coolness machte. Bis zu seinem Tod im Alter von 75 Jahren sandte er so frische Impulse in die sich, stetig wandelnde und dabei doch auch immer der Tradition verbundene Jazzwelt.

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