Beate Sampson, Roland Spiegel und Ulrich Habersetzer überraschen sich und Sie mit aktuellen Jazzalben. Dieses Format wurde mit dem Deutschen Radiopreis 2022 als "Beste Sendung" ausgezeichnet, hier die 17. Ausgabe von "Hören wir Gutes und reden darüber".
Bildquelle: Ponderosa Music Records
BR-KLASSIK - Jazztime
Hören wir Gutes und reden darüber - Vol. 17
"Hören wir Gutes und reden darüber Vol. 17" hier zum Nachhören.
In dieser Sendung haben sich Roland Spiegel, Ulrich Habersetzer und Beate Sampson zum siebzehnten Mal gegenseitig mit Alben überrascht: Niemand wusste vorher, was die jeweils anderen mitbringen würden. Über folgende drei Alben wurde in der Sendung gesprochen.
Elf-Achtel-Takt mit eingeschobenem Sieben-Achtel-Takt, das klingt kompliziert, was für musikalische Rechenkünstler und Rhythmus-Nerds. Wenn Pianist Omer Klein so etwas zusammen mit Bassist Haggai Cohen-Milo und Schlagzeuger Amir Bresler im Stück "Niggun" spielt, ist es alles andere als kompliziert. Es ist mitreißend, es ist energiegeladen, es grooved! Eine Musik, die die Endorphin-Ausschüttung sofort steigert.
Glückshormone sind reichlich vorhanden in den Klängen auf dem Album "LIFE & FIRE" des Omer Klein Trios. Seit zehn Jahren spielen die drei zusammen und es ist eine glückliche musikalische Beziehung, das hört man in der Musik und das betonen die drei im Begleittext der Platte. Bei den Aufnahmen zu ihrem Jubiläumsalbum stand für das Trio auch der Spaß im Vordergrund. Ein kleines Studio wurde gemietet, Freunde wurden zur Aufnahmesession eingeladen und dann wurde drauflosgespielt. Leichtigkeit und viel Lust am gemeinsamen Improvisieren, das strahlt "LIFE & FIRE" aus. Lebendig und aufregend frei werden altbekannte Omer-Klein-Melodien interpretiert, neue Stücke reihen sich in diese süffige und packende Klangästhetik organisch ein. Harmlos ist die Musik natürlich nie, aber auch nicht düster und bedrückend. Wenn ein Trio so sein zehnjähriges Bestehen feiert, dann kann man sich nur auf die nächsten zehn, zwanzig und mehr Jahre dieser Band freuen.
Bildquelle: Enja Von griechischer Musik geprägter Jazz ist international eine Seltenheit. Aber nun scheint Bewegung in die Sache zu kommen. Im Januar hat die deutschgriechische Bassistin Athina Kontou ihr, mit Kölner Kolleg:innen eingespieltes Album "Mother" herausgebracht, auf dem sie griechische Volkslieder und populäre Songs in den Jazzkontext setzt. Und nun kommt über Enja Records auch ein Album direkt aus Griechenland auf den deutschen Markt. Der Bassist und Komponist Petros Klampanis hat seine Sammlung geschichtsträchtiger, griechischer Lieder aus verschiedenen Regionen seiner Heimat und aus Städten, die früher griechisch waren, wie etwa Smyrna, das jetzige Izmir, mit eigenen Instrumentalkompositionen verknüpft. Er hat sie mit seinem international besetzten "Tora Collective" eingespielt, das auf Deutsch "Jetzt-Kollektiv" heißen würde. Mit einem untrüglichen, feinen Gespür für den Erhalt des historischen Kerns der traditionell griechischen Musik umwebt er dabei den Gesang von Areti Ketime und von Thomas Konstantinou mit einem Netz harmonischer Erweiterungen und reichert die rhythmisch sowieso schon avancierten Originale mit weiteren metrischen Vexierspielen an. Will man die so entstehenden, komplexen Zählapparate entschlüsseln, kommt man ins Grübeln. Wenn man aber daran keinen Gedanken verliert, kommt man mühelos ins Tanzen und Schwelgen bei einer emotional hoch ansprechenden und dabei luftig transparent wirkenden Musik mit Raum für viele Nuancen. Die kommen von verschiedenen Lauten, die Thomas Konstantinou spielt, von Giorgos Kotsinis´ Klarinette, vom Spiel des estnischen Pianisten Kristjan Randalu und des israelischen Schlagzeugers Ziv Ravitz und vom ungewöhnlich singenden Bassspiel des Bandleaders Petros Klampanis, der seit 15 Jahren auch ein festes Standbein in New York hat, wo er unter anderem mit Gitarrist Gilad Hekselman, Saxophonist Oded Tzur und Pianist Shai Maestro zusammenarbeitet. Ein wunderbares Album, dem man nur noch englische Übersetzungen der im Booklet abgedruckten, griechischen Liedtexte gewünscht hätte, um es auch auf dieser Ebene perfekt zu machen.
Bildquelle: ECM Der 1940 geborene amerikanische Gitarrist Ralph Towner hat einen ganz eigenen, sofort erkennbaren Klang: Ein, zwei satte und zugleich luftig ausschwingende Töne, angeschlagen mit sehr starken Fingernägeln auf Nylonsaiten, und seine Fans wissen, dass er es ist. Bekannt ist Towner nicht zuletzt aus vielen Aufnahmen mit der seit 1971 bestehende Gruppe Oregon, deren Mitbegründer er war. Aber man kennt ihn auch aus vielen herausragenden Solo-Aufnahmen und -Konzerten. Jetzt erscheint beim Münchner Label ECM, bei dem Towner seit fünf Jahrzehnten als Künstler ist, das Gitarren-Solo-Album "At First Light". Es ist (nach einem halben Dutzend an Solo-Gitarren-CDs Towners) das erste, auf dem er ausschließlich Konzertgitarre spielt, also das in der klassischen Musik übliche Nylonsaiten-Instrument, und nicht mehr, wie früher, auch 12-saitige Westerngitarre. Das gibt dem neuen Album eine besondere ästhetische Klarheit und Geschlossenheit. Es enthält insgesamt elf Stücke, von denen acht Eigenkompositionen von Towner sind. Es ist Musik, die eine besondere lyrische Schönheit hat und zugleich immer wieder von besonderem Groove lebt. Einzigartig, wie Towner etwa bei der Eigenkomposition "Fat Foot" die Töne zum Federn und elastischen Voranschreiten bringt und ihnen zugleich den Raum für spontane Einwürfe lässt. Zu den geliehenen Stücken, die Towner auf diesem Album interpretiert, gehört das irische Traditional "Danny Boy": In leuchtender Innigkeit formt er hier die Melodie heraus, unterlegt sie mit kunstvoll geformten Harmonien und Basstönen und weitet sie zusätzlich durch eine völlig organisch aus dem Thema erwachsende Improvisation. Wenige Tage vor seinem 82. Geburtstag nahm Towner die Stücke für dieses Album auf: Es ist eine Musik, die viel Lebenserfahrung atmet und zugleich voller frisch gebliebener Spiellust steckt. "At First Light" ist ein besonders gelungenes, spätes musikalisches Selbstporträt des mitreißenden Vollblutmusikers Ralph Towner.