BR-KLASSIK

Für viele ist der Pianist Tigran Hamasyan ein Genie. Die komplexe, rhythmisch äußerst anspruchsvolle Musik des 34-Jährigen spricht Jazz-, Klassik- und auch Rockfans an. Oft scheinen auch die Klänge seiner armenischen Heimat in seinen Kompositionen durch: Nicht jedoch auf seinem neuen Album "StandArt" – auf ihm spielt Tigran Hamasyan Jazzstandards.

Der armenische Tastenvirtuose Tigran Hamasyan ist ein Phänomen. Technisch brillant mit einem äußerst eigenwilligen Stil: Komplexe Rhythmen, überbordende Tonkaskaden, dazu – bisher – oft Themen aus seiner Heimat Armenien. Jazz im Trio mit einer guten Portion Klassik und einem genauso großen Anteil progressiver Rockmusik. Etliche Preise konnte er mit seiner sehr persönlichen Musik schon gewinnen: Im letzten Jahr wurde er etwa mit dem Deutschen Jazzpreis in der Kategorie "Künstler des Jahres – International" ausgezeichnet.

Tigran spielt Standards

Jetzt spielt Tigran Hamasyan Jazzstandards auf seinem aktuellen Album "StandArt", und hier ist vieles anders: Eine neue Band hat der armenische Pianist – und mit Bassist Matt Brewer und Schlagzeuger Justin Brown aus der New Yorker Szene hat er sich zwei aufstrebende Jazzcracks ins Trio geholt. Dazu kommen noch drei hochkarätigen Gäste: die Tenorsaxophonisten Mark Turner und Joshua Redman sowie Trompeter Ambrose Akinmusire. Alle drei sind stilprägende Jazzer unserer Zeit.

Super-Solist Tigran auch mal als Begleiter

Im Zusammenspiel mit seinen Gästen zeigt sich Hamasyan auch mal als gefühlvoller Begleiter, etwa in der Zeitlupen-Version des Klassikers "All the Things you are" und als zuhörender Interaktionspartner im Stück "Invasion during an Operetta", einer spontan entstandenen Bandimprovisation. Allein im rasanten "Big Foot" von Bebop-Pionier Charlie Parker, bei dem Joshua Redman den Saxophonpart übernimmt, eilt Tigrans Trio durch die Harmonien, während Redman flotte Linien spielt, ohne dass ein richtig überzeugendes, gemeinsames Brodeln entsteht.

Setzt "StandArt" neue Standards?

Auf seinem neuen Album "StandArt" zeigt Tigran Hamasyan seine Herangehensweise an bekanntes Jazz-Repertoire. Manchmal schafft es der Pianist nicht ganz, die Jazzstandards mit seinem eigenen flirrenden Spiel organisch zusammenzubringen. Oft aber entsteht eine trickreiche Mischung aus den quirlig-kantigen Klavierakzenten, den ultra-coolen Laidback-Grooves der beiden US-Begleiter und den geschickt-verfremdeten Jazz-Melodien. Dann ist "StandArt" ein richtig starkes Jazzalbum.

Sendung: "Leporello" am 12. Mai 2022 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK