Musik aus einem selbstgewählten Lockdown: Der Münchner Gitarrist zog sich zurück an einen Ort seiner Jugend in Franken – und komponierte dort ein Programm, das er mit den Kollegen aus seinem Quartett vor den Kameras und Mikrophonen von BR-KLASSIK spielte: "Meadows and Mirrors".
Bildquelle: Bayerischer Rundfunk
Das komplette Konzert anschauen
Ein Ort, an dem es nur eine Handvoll Häuser gibt, verschlungene Wege führen dorthin, es gibt keinen Handy-Empfang. Der Gitarrist Philipp Schiepek, geboren 1994 im fränkischen Dinkelsbühl, hat sich im Frühjahr 2020 in solch eine Situation begeben – noch bevor die Corona-Pandemie solche Rückzüge allgemein verordnete. Schiepek zog sich in ein Haus in seiner fränkischen Heimat zurück und komponierte. Seine Zeit in Klausur sollte ursprünglich nur relativ kurz dauern – und verlängerte sich dann. Es entstand dabei das Programm "Meadows and Mirrors". Im Quartett mit ausgezeichneten musikalischen Partnern hat Schiepek im Studio 2 des Bayerischen Rundfunks in München die Stücke dieses Programms aufgenommen – und zwar im September 2020. Die Besetzung: Philipp Schiepek, Gitarre, Jason Seizer, Tenorsaxophon, Matthias Pichler, Kontrabass, und Fabian Arends, Schlagzeug.
Dieses Konzert war ein Beitrag des Bayerischen Rundfunk für das Jazzfest Berlin 2020. Dieses bedeutende deutsche Jazzfestival, das seit 1964 existiert, konnte aus Corona-Gründen 2020 nicht in gewohnter Form stattfinden und auch nicht alle ursprünglich geplanten Projekte realisieren. Das Festival fand als Online-Festival statt. Da die unterschiedlichen ARD-Sender seit Beginn Partner des Jazzfests Berlin sind (das ursprünglich Berliner Jazztage hieß), produzierten einige der Sender Videobeiträge für das Festivalprogramm – mit jeweils herausragenden Künstlern des Sendegebiets. Beim Bayerischen Rundfunk fiel die Wahl auf den Gitarristen Philipp Schiepek, der aus Franken stammt, in München lebt, sowohl Jazzgitarre als auch klassische Gitarre studiert hat und in jüngster Zeit mit ganz hervorragenden Auftritten von sich reden machte.
Die meisten Stücke dieses Konzerts stammen aus der Zurückgezogenheit in einen Weiler von drei Häusern – dieser Ort heißt übrigens Charhof und liegt bei Feuchtwangen in Mittelfranken. Neun Einwohner sind über diesen Ort verzeichnet (letztes Jahr waren es dann vermutlich zeitweilig zehn). Doch einige haben auch andere Hintergründe: Das Stück "Rückertstraße" etwa entstand in München: Es knüpft an Konzerterinnerungen an einen Münchner Spielort in ebendieser Straße an. Dann gibt es noch ein anderes Stück, das einen Straßennamen trägt: "Portobello Road". Es ist der gleichnamigen Straße in London gewidmet – es verarbeitet Eindrücke des Portobello Market im Stadtteil Notting Hill. Hier also: alles andere als Lockdown. Denn Schiepek schrieb dieses Stück lange vor der Corona-Pandemie.
Ein Wort zum Instrument: Philipp Schiepek spielt hier nicht etwa auf einer klassischen Konzertgitarre, sondern auf einer historischen Jazzgitarre von 1939. Das ist ein Instrument mit Vollresonanzkörper, aber auch mit Tonabnehmer. Schiepeks Spieltechnik ist, wie er sagt, hybrid. Er spielt häufig mit Plektrum, aber er hat auch die extralangen Fingernägel eines Klassikgitarristen, die er bei bestimmten Akkordmustern und mehrstimmigen Passagen dann einsetzt. Aufgrund seines Studiums sowohl der Jazzgitarre als auch der klassischen Gitarre, ließ Schiepek beide Disziplinen in seine Musik einfließen. Manchmal ist dieser Musiker auch mit einer klassischen Nylonsaiten-Gitarre zu erleben – an diesem Tag im Studio 2 des Bayerischen Rundfunks jedoch konzentrierte er sich auf die historische Jazzgitarre. In einem Interviewblock in diesem Video erklärt Schiepek Näheres zum Instrument und seiner Spieltechnik.
Schiepeks Partner in dieser Band sind sehr renommierte Jazzmusiker der jungen und mitteljungen Szene: Jason Seizer (Jahrgang 1964), ein anderer Wahl-Münchner, geboren in Stuttgart, spielt Tenorsaxophon. Der gebürtige Norddeutsche und Wahl-Kölner Fabian Arends (Jahrgang 1990, der Geburtsort heißt Friesoyhte) spielt Schlagzeug. Und der Tiroler Wahl-Berliner Mathias Pichler (Jahrgang 1981, geboren an einem Ort namens Rum) spielt den Kontrabass. Alle Vier zusammen: eine hervorragende Band, die Jazz-Kammermusik auf sehr hohem Niveau spielt.
Jazztime am Freitag,26. März 2021, 23:05 Uhr
Beitrag aus München zum Jazzfest Berlin: Gitarrist Philipp Schiepek und sein Projekt "Meadows and Mirrors". Aufnahme aus dem Studio 2 des Bayerischen Rundfunks vom 15. September 2020. Mit Philipp Schiepek, Gitarre, Jason Seizer, Tenorsaxophon, Matthias Pichler, Kontrabass, Fabian Arends, Schlagzeug.
Moderation und Auswahl: Roland Spiegel