Monte Compatri in der Provinz Rom, 11. November 1858. Er hatte eine Engelsstimme – wider Willen. Als Alessandro Moreschi geboren wird, ist die große Zeit der Kastraten schon vorbei. Doch als Knabe muss er den grauenhaften Eingriff über sich ergehen lassen. Moreschi war zwar nicht der brillanteste, aber wohl der letzte seiner Art.
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Alessandro Moreschi ist der einzige Kastrat, dessen Stimme auf Schallplatte konserviert wurde. Auch wenn sie zu dieser Zeit, in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts, nur noch ein Schatten ihrer selbst ist. Die Virtuosität ist dahin – doch nach wie vor faszinieren der enorme Umfang, der endlose Atem, die Unangestrengtheit des Singens und der Stimmcharakter: nicht Counter, nicht Knabe, nicht Alt, nicht Sopran. Sondern alles zusammen. Und doch etwas ganz Eigenes, Fremdes, Verstörendes.
"Ihre Stimmen sind in der Klangfarbe ebenso hell und durchdringend wie die der Chorknaben. Und viel lauter. Mir scheint, dass sie noch eine Oktave höher singen als die gewöhnliche Frauenstimme. Es liegt etwas Sprödes und Herbes in ihrem Gesang, das von der weichen Lieblichkeit der Frauenstimme weit entfernt ist, aber ihre Stimme hat Glanz und Leichtigkeit, dabei Kraft und Umfang." So beschrieb ein Zeitgenosse die stimmliche Klangfarbe der Kastraten.
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Alessandro Moreschi - The Last Castrato Full CD 1904
Und eine zeitgenössische medizinische Beschreibung, bei der sich einem beim Lesen die Nackenhaare aufstellen, stellt die notwendigen Operationsvorbereitungen wie folgt dar:
"Die nötigen Instrumente sind folgende: ein konvexes und ein gerades Messer, eine Schere mit stumpfer Spitze, eine Hohlsonde, Werkzeuge zur Unterbindung blutender Gefäße, eine krumme Heftnadel nebst mehreren Heftfäden, ein spitzer Haken, Schwämme mit kaltem und warmem Wasser, ein ausgefasertes Leinwandstreifchen, Heftpflaster, eine Kompresse und eine Binde ... Gehilfen sind ungefähr vier nötig: zwei fixieren den Kranken, zwei assistieren dem Operateur. Man legt den Kranken quer über eine mit Wachsleinwand bedeckte Matratze und entfernt die Beine voneinander, oder man setzt ihn auf den Tischrand mit voneinander entfernten Schenkeln und auf Stühlen ruhenden Füßen. Kopf und Brust müssen zurückgebeugt und mit Kissen unterstützt werden.“
Alessandro Moreschi, genannt auch "Angelo di Roma", stirbt 1922, mit 64 Jahren.
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Sendung: "Allegro" am 11. November 2021 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK