Frans Brüggen begann seine musikalische Karriere als Blockflötist und er endete sie als Dirigent seines eigenen Symphonieorchesters. Ein Stichwort über einen spannenden Werdegang und einen starken Charakter.
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Als Frans Brüggen im Oktober 1934 in Amsterdam auf die Welt kam, galt eine Blockflöte auch - oder gerade - unter ausgemachten Musikfreunden mehr oder weniger als Kinderinstrument. Als eben dieser Frans Brüggen im August 2014 starb, hatte sich ebendiese Blockflöte längst als Solo- und Kammermusikinstrument etabliert, und nicht nur Vivaldi'sche Blockflötenkonzerte hatten inzwischen Einzug auch in die renommierteren Konzertsäle gehalten, sondern selbst Händel'sche Sonaten und mittelalterliche Estampien. Nicht zuletzt dank Frans Brüggen.
Die ersten Blockflötenstunden bekam der kleine Frans - das jüngste von neun Kindern eines Textilfabrikanten - von einem seiner Brüder. Später studierte er Blockflöte, Querflöte und Musikwissenschaft am Amsterdamer Konservatorium, bevor er mit 21 Jahren als Professor für Blockflöte ans Königliche Konservatorium Den Haag berufen wurde.
Durch Gustav Leonhardt kam der junge Musiker in Berührung mit der gerade aufkommenden Alte Musik Bewegung, spielte gelegentlich im Leonhardt-Consort mit, begeisterte sich für die historische Aufführungspraxis - und machte sich Anfang der 60er Jahre durch die Bemerkung in seinem Heimatland unbeliebt, dass jede Note von Mozart, die das Concertgebouw Orkest Amsterdam spiele, gelogen sei. Was ihn ganz gut charakterisiert: Brüggen galt als charismatisch, idealistisch, rebellisch - und sehr ehrlich...
Doch mochte Brüggen auch in das eine oder andere kulturpolitische Fettnäpfchen treten und in seinen Konzerten bevorzugt mit übergeschlagenen Beinen krumm auf einem Stuhl sitzend spielen: Sein Ruhm als Blockflötist wuchs, und zwar weltweit. Er wurde zu einer Art klassischem Popstar, von dem man sich sogar Poster an die Wand hängen konnte - und inspirierte immer mehr junge Menschen, sich in professioneller Weise mit der Blockflöte zu beschäftigen.
Nichtsdestotrotz verkündete er 1981, er sei nun ausgeblockflötet und gründete mit einigen Freunden das Orchester des 18. Jahrhunderts: ein auf authentischen Instrumentarium musizierendes Symphonieorchester, mit dem er Musik vom Barock bis zur Frühomantik aufführte, und mit dem er bewusst einen Kontrapunkt zu modernen Dienstorchestern setzen wollte. Nicht nur musikalisch übrigens, sondern beispielsweise wurden die Einnahmen eines jeden Konzertes auch paritätisch unter allen Musikern - inklusive Dirigent - aufgeteilt; Studioaufnahmen waren Brüggen außerdem immer ein Gräuel und er plädierte dafür, lieber Livemitschnitte auf CD zu brennen.
Dieses Orchester des 18. Jahrhunderts bekam bald seine ersten Einladungen, und schon nach wenigen Jahren waren mehrere Tourneen pro Saison mit ausverkauften Konzerten in der ganzen Welt die Regel. Und Frans Brüggen war irgendwann nicht mehr so sehr als Blockflötist ein Name, sondern eher als Dirigent. Als Dirigent übrigens, der fürderhin nicht nur etwa vom Orchestra of the Age of Enlightenment, den Wiener Philharmonikern oder dem Chicago Symphony Orchestra als Gastdirigent eingeladen wurde - sondern dem irgendwann dann tatsächlich auch das Concertgebouw Orkest die früheren Schmähungen verzieh...
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 29. April 2018, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK