Wenn es das, was man will, nicht gibt, muss man es eben selber machen. Philippe Herreweghe gründete ein Vokalensemble, mit dem er Musik so klingen lassen konnte, wie er wollte. Und das war erst der Anfang!
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"Ich habe meine ganze Jugend in meiner Schule - das war eine Jesuitenschule - gesungen. Und das war eigentlich Alte Musik, es war Schütz, Palestrina, ein bisschen Bach. Und dann, als ich auf die Universität gegangen bin, hörte das plötzlich auf. Dort haben wir einen Universitätschor gegründet - erst einen traditionellen, großen Chor mit 80 Leuten - aber dann habe ich Gustav Leonhardt entdeckt, und habe gesagt: Wie er spielt, oder die Brüder Kuijken, so müssen wir eigentlich Bach und Buxtehude singen, und dann habe ich diesen großen Chor verkleinert zu Collegium Vocale mit 16 Leuten."
Das war 1970, und die Geburtsstunde des Collegium Vocale Gent. Doch Philippe Herreweghe, der kurz darauf sein Medizinstudium zugunsten der Musik aufgab, erkannte bald, dass er seinem Klangideal mit konventionell ausgebildeten Sängern nicht näherkam:
"Zwischen der Art zu singen, wie man das unterrichtete in Konservatorium in Gent zum Beispiel und diesem Klang gab es ein totales Schisma. Dann haben wir so etwas unseren eigenen Klang gemacht, mit Leuten, die nicht Gesang studiert hatten. Es war am Anfang völlig amateurhaft, aber dann hat sich eine neue Art des Singens entwickelt, und wir sind eigentlich unsere eigene Schule gewesen."
Ein Klang, der sich zwar seither deutlich entwickelt hat, aber immer noch durch Klarheit und Luzidität fasziniert. Es dauerte nicht lange, bis dieser Klang als Maßstab in der Interpretation Alter Musik galt. Und er sorgte dafür, dass die unzähligen Einspielungen des Collegium Vocale Gent bis heute zu den meistverkauften Platten Alter Musik gehören, insbesondere die Bachinterpretationen.
1991 gründete Herreweghe das Orchestre des Champs-Elysées. Als einer der ersten Dirigenten überhaupt widmet er sich mit diesem Symphonieorchester dem Repertoire von Beethoven über Bruckner bis ins 20. Jahrhundert auf historischem Instrumentarium - immer in der für ihn charakteristischen, sehr lyrischen Herangehensweise an die Musik.
"Ich finde, Ziel in dieser polyphonen Musik (sei es Bruckner oder Brahms oder Josquin Desprez) ist, die Partitur, die Noten zu zeigen. Man muss auf Struktur hinarbeiten, sehr klar singen und absolut im Dienst der Musik - die Klarheit betrachten."
Spricht man Herreweghe auf seine Erfolge an, winkt er ab und verweist auf das Können seiner Musiker.
"Ich bin immer sehr hungrig gewesen nach Musik, mit viel Enthusiasmus, ich habe eine Kapazität, glaube ich, um meinen Enthusiasmus rüberzubringen auf andere Leute, und ich habe fantastische Mitarbeiter gehabt, Freunde. Sie spielen fantastisch, ich dirigiere so ein bisschen, aber ich habe auch organisiert, Geld gefunden, Ideen gehabt, was wir machen könnten, und bin so ein bisschen eigentlich ein musikalischer Politiker."
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 18. August 2013, 13.05 Uhr auf BR-KLASSIK