Béla Bartók zerriss es fast das Trommelfell, als er eine Schalmei hörte – Anton Tschechow dagegen schrieb recht differenziert und fast liebevoll über sie. Im Mittelalter war sie nicht wegzudenken aus der Bläsermusik.
Bildquelle: Germanisches Nationalmuseum Nürnberg (MI146)
Der Begriff "Schalmei" wird vom lateinischen "calamus" – das Rohr abgeleitet und bezeichnet im Allgemeinen sämtliche Blasinstrumente, die zur Tonerzeugung ein Rohrblatt verwenden. Das sind einerseits die Instrumente mit einem einzelnen Blatt, also die Klarinette oder das Chalumeau. Andererseits sind auch alle Doppelrohrblattinstrumente wie Oboe oder Dulzian Schalmeien.
Im Besonderen bezeichnet "Schalmei" ein Instrument, das seine Blüte im Mittelalter und in der Früh-Renaissance hatte und so manchen Maler oder Dichter zu Hirtenidyll-Beschreibungen inspirierte, so auch Anton Tschechow:
"Nachdem er die Herde an den Waldessaum getrieben hatte, lehnte sich der Hirt an eine Birke, blickte auf den Himmel, zog ohne Hast die Schalmei hervor und begann zu spielen. Die allerhöchsten, schrillen Töne, die zitterten und abbrachen, schienen untröstlich zu weinen, als wäre die Schalmei krank und erschrocken; die tiefsten aber erinnerten aus irgendeinem Grund an Nebel, traurige Bäume, grauen Himmel." Anton Tschechow
Die Schalmei gehört zu den Doppelrohrblatt-Instrumenten, die in ihrer Bauart die Besonderheit einer Pirouette besitzen. Das ist eine kleine Lippenscheibe, die am Mundstück, oben auf dem Instrument angebracht ist. In der Mitte steckt dann das Rohrblatt. Das hervorstechende Merkmal der Schalmeien ist der kräftige Ton. So beschreibt der Musiktheoretiker Marin Mersenne Anfang des 17. Jahrhunderts die Schalmei als "das lauteste der Instrumente, ausgenommen die Trompete".
Was Mersenne wertfrei feststellte, veranlasste Béla Bartók zu einer etwas schroffen Aussage – er hörte einst einen Volksmusiker Schalmei spielen:
"Ihr Ton ist viel stärker als der der tiefsten Töne der Oboe; über den ganzen Klangbereich bleibt er gleichmäßig durchdringend und schrill, so dass er einem im geschlossenen Raum fast das Trommelfell zu zerreißen droht." Béla Bartók
Vielleicht lag’s aber auch am Musiker.
Seit dem 12. Jahrhundert jedenfalls war die Schalmei ein äußerst beliebtes Instrument, wenn zeremonielle Anlässe musikalisch begleitet werden sollten. In der Renaissance dann wurden die Instrumente systematisch zu Familien ausgebaut. Die hohen Schalmeien behielten ihren Namen, die tiefen Schalmeien wurden als Bomhart oder Pommer bezeichnet.
"Die Schalmeispieler spielen auf Instrumenten unterschiedlicher Größe. Einige sind hoch für die Oberstimmen, einige sind tief für die Mittel- und Unterstimmen." Johannes Tinctoris
Komponisten und ausübende Musiker besetzten die Schalmeien auch gerne zusammen mit anderen Blasinstrumenten wie Dulzian, Posaune und Zink, was dann als "Capella alta" bezeichnet wurde. Bis zum Ende des 15. Jahrhunderts war die "Capella alta" die Standardbesetzung bei den Bläsern.
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 17. Oktober 2010, 13.05 Uhr auf BR-KLASSIK