Eine Theorbe zieht alle Blicke auf sich. Sie ist der große Bruder der bis ins 16. Jahrhundert recht handlichen Lauten. Entwickelt wurde sie in Italien, bald gab es aber auch in anderen Ländern Theorbisten.
Bildquelle: Germanisches Nationalmuseum Nürnberg (Inventory number MI574)
Stichwort | 12.09.2010
Die Theorbe
Es geschah in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, dass sich eine Gruppe Musiker, Dichter und Gelehrter um den Grafen Bardi in Florenz versammelte. Sie nannten sich die "Florentiner Camerata" und setzten sich zum Ziel, das antike griechische Drama wieder zu beleben. Inklusive der dazugehörigen Musik.
Die Handlung des Dramas sollte verständlich gesungen, teilweise fast gesprochen werden.
Die Begleitung der Sänger sollten wenige Instrumente übernehmen - oder gleich nur ein einziges. Antikes Vorbild für die Begleitinstrumente waren die Lyra und die Kithara. Die Revoluzzer der "Florentiner Camerata" waren - aus heutiger Sicht - keine Puristen der historischen Aufführungspraxis. Statt die altgriechischen Instrumente zu rekonstruieren erfanden sie neue. Unter anderem die Theorbe, auch Chitarrone genannt.
Die Theorbe oder eben auch der Chitarrone entstand in Italien, der erste Theorbenbauer war vermutlich ein gewisser Antonio Naldi. Er kam dem Wunsch nach, die bisherige Laute in die Bass-Region zu erweitern. Die damals verwendeten Darmsaiten konnten nicht noch dicker gemacht werden, um die tiefen Töne zu erreichen (ab einer gewissen Dicke klingen sie einfach nicht mehr). Also mussten die Saiten verlängert werden. Die Lauten wurden "theorbiert": sie bekamen einen zweiten Wirbelkasten für die langen Basssaiten. Bis zu 1,70m lang waren diese nun, gegriffen werden konnten sie natürlich nicht mehr, nur von der rechten Hand gezupft. 14 Saiten hat eine Theorbe, die tiefste ein Kontra-G. Jedenfalls die meisten.
Da es damals keine Normierung im Lautenbau gab, entstanden recht unterschiedliche Theorben. Die insgesamt 14 Saiten wurden unterteilt: es gab sie mit sechs, sieben oder acht langen Basssaiten, entsprechend acht, sieben oder sechs kurze Saiten, die gegriffen wurden. Den Korpus gab es mit einem oder drei Schalllöchern, die immer kunstvoll geschnitzt waren.
Was allen gemein war: aus den kleinen Lauten der Renaissance waren wahrlich monströse Instrumente geworden. Wie unhandlich! Welch Wohlklang!
In den vergangenen Zeiten wurde die Laute viel gespielt. Aber dieses Instrument ist nun fast völlig vernachlässigt, nachdem die Theorbe eingeführt wurde. Diese wird gerne akzeptiert, um die große Arbeit, die es braucht, um die Laute gut zu lernen, zu vermeiden.
Der Kommentator Vincenzo Giustiniani machte diese Beobachtung. Die "große Arbeit" des Lautenspiels bezieht sich auf den schwierigen Anschlag der Doppelsaiten der Lauten. Die Theorben waren meist einzeln besaitet, was den Anschlag sehr vereinfacht. Außerdem mokierte er sich, die Theorbe sei "mehr geeignet zum mittelmäßigen Singen mit schlechter Stimme."
Was sie aber nicht davon abhielt, ein äußerst beliebtes Generalbass-Instrument zu werden. Doch auch Solo-Literatur existiert, allerdings ist dieses Oeuvre überschaubar geblieben. In Frankreich etwa schrieb Robert de Visée für Theorbe, in Italien Girolamo Kapsperger oder Alessandro Piccinini.
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 12. September 2010, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK