Jägerhof in Weißenfels, 23. Februar 1713. Frieden, Milde und Güte sprechen aus einem der größten Erfolgsstücke von Johann Sebastian Bach, "Schafe können sicher weiden". Eigentlich ist dieser Schlager nur ein Teil der gar nicht lammfrommen weltlichen Kantate: "Was mir behagt ist nur die muntre Jagd". An jenem Februartag wird die Kantate nach einer Jagdveranstaltung uraufgeführt.
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Bach hat die "Jagdkantate" als Geburtstagsgeschenk für den Hobbyjäger Christian von Sachsen-Weißenfels komponiert. Mit ihrer Uraufführung beginnt im Fürstentum die zwei Wochen andauernde Geburtstagsparty des nun 31-jährigen. Aber: Ist diese Kantate wirklich ein "Weidmannsheil und Weidmannsdank" in Noten? Ein Halali auf Geballer, blutrünstige Treibjagden und anschließendes Besäufnis? Nein. Die Büchse ist nur Mittel zum Zweck. Zum Knalleffekt.
Bach arbeitet zum ersten Mal mit dem Dichter Salomo Franck zusammen, und der schreibt ihm sowas wie eine Mini-Oper für vier Heldinnen und Helden: Diana, Göttin der Jagd, Endymion, der jugendliche Liebhaber, Pan, Mischwesen und Hirtengott, und Pales, die Hirtengöttin. Dass der Librettist griechische und römische Mythologie munter mixt für die muntre Jagd, stört keinen. Bach verleiht den Charakteren allein schon durch seine Instrumentierung mit Blockflöten, Jagdhörnern und Oboen eine eigenständige Persönlichkeit, malt sie mit Tönen als sattes, saftiges Barockgemälde.
Die recht aufwändige Arbeit an der Kantate für den Herzog von Schloss Neu-Augustenburg hat sich für Bach in jedem Fall gelohnt. Es steckt viel Material fürs Melodienrecycling drin. Zudem wärmt Bach das Stück nur drei Jahre später als Glückwunschkantate für den Weimarer Hof auf. Aus "Christian" wird einfach nur "Ernst August", und fertig ist das Ding.
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JS Bach - Cantata BWV 208 - Aria: Schafe können sicher weiden
Außerdem springen weitere Aufträge aus Weißenfels für Bach raus und ein ehrenvoller Titel: "Hochfürstlich Sächsisch-Weißenfelsischer Capellmeister". Schade für Bach, dass diese inspirierte Weißenfelser Nebenlinie des sächsischen Herrscherhauses durch ihre kostenverschlingende Kunstleidenschaft bald schon bankrottgeht. Nach Herzog Christians Tod im Jahr 1736 setzt eine kaiserliche Schuldentilgungskommission dem notorischen Minusgeschäft mit der Musik und dem ganzen anderen künstlerischen Klimbim ein Ende. Schloss Neu-Augustusburg hat fortan nicht einmal mehr eine kulturelle Bedeutung.
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Sendung: "Allegro" am 23. Februar 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK