Wien, 15. November 1807. Beethovens Vierte wird uraufgeführt, und zwar im Palais Lobkowitz, einem gewaltigen barocken Palast im 1. Gemeindebezirk, in Sichtweite der Wiener Hofburg. Der 15. November ist ein Sonntag, Napoleon ist abgezogen, bis zum nächsten Krieg gegen Frankreich wird es noch dauern. Es ist ruhig in Wien. Keine Gedanken an Politik an diesem kalten hellblauen Tag.
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Hell erleuchtet das ganze Schloss an diesem frühen Sonntagabend, große Vorfreude. Vor ein paar Jahren war hier schon seine Eroica zu hören, jetzt endlich gibt es wieder ein Stück von Beethoven, diesem so spannendenden Mittdreißiger.
Auch wenn der eigene Akademien, also eigene Subskriptionskonzerte veranstaltet: er gehört doch eigentlich ihnen, den Adligen, sie haben ihn entdeckt, seit Jahren investieren sie in ihn, allen voran Fürst Lobkowitz. Und jetzt soll er liefern, der Komponist.
Das tut er. Natürlich weiß Beethoven, dass sie ihn vor allem bestaunen wollen, ihren goldenen Vogel. Aber er glaubt auch an die Kraft seiner Musik. Die Bürgerlichen, den Geldadel, den Hochadel, alle miteinander will er mitreißen.
Düstere, verschattete langsame Einleitung, finstere Mollbereiche, die würden in jedes Requiem passen. Dann löst sich die Totenstarre, das Leben erwacht, explodiert – im Saal erzittern die Kerzenflammen, das Publikum ist selig. Irritiert vielleicht von den immer wieder neuen Wegen, die Beethoven einschlägt, aber glücklich. Ja, man hat in den Richtigen investiert, von dem wird man noch viel hören. Die Einen oder Anderen schließen die Augen und meinen schon den Duft des getrüffelten Kapauns zu riechen, den es nach dem Konzert gibt. Und Beethoven? Denkt er schon an den Smalltalk, den seine Fans nachher von ihm erwarten?
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Sendung: "Allegro" am 11. November 2021 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK