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Was heute geschah – 23. Juni 1888 Beethoven wird exhumiert – Bruckner ist dabei

Wien, 23. Juni 1888. Beethovens Gebeine werden im Beisein Anton Bruckners exhumiert. Sie sollten zum Wiener Zentralfriedhof überführt werden. Bruckner muss unbedingt dabei sein – bei der Ausgrabung wie bei der Umbettung. Und er muss den Schädel des Genies in Händen halten. Was versprach sich der Komponist davon?

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Anton Bruckner hatte, um es vorsichtig auszudrücken, merkwürdige Angewohnheiten. Manchmal musste er plötzlich dringend zurück in die Wohnung, die er gerade verlassen hatte – nur um zu kontrollieren, ob alles noch am gleichen Ort stand. Ununterbrochen war er am Zählen: Treppenstufen, Blätter, die Perlen am Kleid einer Frau. Seine besondere Leidenschaft waren Sensationen und spektakuläre Unglücksfälle. Bruckner verschlang die vermischten Nachrichten in den Zeitungen, las gierig alles über Polarexpeditionen, Kriminalfälle und Hinrichtungen. Besonders Kerker hatten es ihm angetan. Wenn er eine Burg besichtigte, kroch er in finstere Verliese, ja er ließ sich sogar dort einsperren, um die Qualen der Gefangenen nachzufühlen. Einmal blieb er volle fünf Minuten einsam in einer moderigen Folterkammer ohne Licht. Als er wieder herauskam, sagte Bruckner, ein tiefgläubiger Katholik, feierlich das lateinische Wort "resurrexit" – er ist auferstanden!

Beethoven – für Bruckner der Inbegriff alles Großen

Zeichnung von Danhauser: Ludwig van Beethoven auf dem Totenbett | Bildquelle: picture-alliance/dpa Zeichnung von Danhauser: Ludwig van Beethoven auf dem Totenbett | Bildquelle: picture-alliance/dpa Im Juni 1888 erfährt Bruckner, dass die Gebeine Ludwig van Beethovens aus dessen Grab im Währinger Friedhof ausgegraben und in den Wiener Zentralfriedhof überführt werden sollen. Tiefe Erregung ergreift ihn – er muss dabei sein. Schon eine Stunde vor der Zeit wartet er am Grab des bewunderten Genies. Beethoven – das ist für Bruckner der Inbegriff alles Großen und Erhabenen. Nun kommt der Sarg in der feuchten Erde zum Vorschein. Die Friedhofsdiener tragen ihn in eine nahe Kapelle. Ein Ärzte-Komitee will an Beethovens Gebeinen wissenschaftliche Untersuchungen vornehmen. Außer den Ärzten darf niemand hinein, doch Bruckner erzwingt sich den Zutritt. Er geht zum Sarg. Tief ergriffen betastet er Beethovens Schädel, schließlich nimmt er ihn in die Hände. Ein Arzt tritt dazwischen und verbietet ihm, die Knochen zu berühren. Da sagt Bruckner wie im Selbstgespräch: "Nicht wahr, lieber Beethoven, Du würdest es erlauben, dass ich Dich angreife."

Tod und Auferstehung – ein ergreifendes Thema

Zwei Zeugen berichten diese Begebenheit. Kurz darauf werden Beethovens sterbliche Überreste feierlich in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt. Anton Bruckner ist wieder dabei.
Den Schädel von Franz Schubert hat er bei einer ähnlichen Gelegenheit übrigens ebenfalls in Händen gehabt. Ob von den Reliquien der großen Komponisten besondere Kräfte auf Bruckner übergegangen sind? Wer weiß. Sicher ist: Das Thema Tod und Auferstehung Bruckner ganz offenbar ergriffen, buchstäblich.

Was heute geschah

Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch 7:40 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.

Sendung: "Allegro" am 23. Juni 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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