Amsterdam, 13. Mai 1988: Ein trauriger Tag für die Jazzwelt. Und darüber hinaus. Ein Musiker, der für traumverloren schöne Trompetentöne stand, kommt auf tragisch-rätselhafte Art ums Leben. Es ist Chesney H. Baker, genannt Chet, in den 1950ern berühmt geworden als strahlend schöner "James Dean des Jazz", der auch noch hinreißend fein und leise sang. Drogenprobleme durchzogen sein Leben und zerfurchten sein Gesicht. Er wurde nur 58 Jahre alt.
Bildquelle: imago/leemage
Der Beitrag zum Anhören
Es ist Nacht in Amsterdam. Freitag, der 13., beginnt. Passanten finden auf einer Straße nicht weit vom Bahnhof einen Mann, der in seinem Blut liegt. Offenbar tödlich aus dem Fenster eines Hotels gestürzt. Die, laut Polizei, "männliche Person, die eine Trompete bei sich hatte", wird später identifiziert als einer der berühmtesten Jazztrompeter der Welt. "C. H. Baker – Yale, Oklahoma", stand auf dem Anmeldeformular des Hotels.
Chesney Henry Baker hieß er eigentlich. Die Welt kannte ihn als Chet Baker. Und so klang seine Musik: zart, melancholisch, existentiell. Er konnte Melodien so berührend spielen wie kaum einer. Und er sang auch wie keiner sonst. Mit leiser, fadenzarter Stimme ließ er Songs wie Gershwins "But not for me" in besonders eleganter Schönheit erblühen. Hell und unbeschwert klang er dabei in ganz jungen Jahren. Geboren 1929, wurde er Anfang der 1950er Jahre berühmt als Meister makelloser Töne im Quartett des Baritonsaxophonisten Gerry Mulligan. Er sah damals aus wie ein James Dean des Jazz, wurde zum traumschönen Idol, zuständig für traumschöne Momente. Einer davon war die Aufnahme des Broadway-Songs "My Funny Valentine" in einer Instrumentalversion mit Mulligans Quartett aus dem Jahr 1952. Das Stück, das ihn ein Leben lang begleitete, nahm er erst zwei Jahre später in seiner ersten gesungenen Version auf.
Doch die Schönheit verfiel. Baker wurde früh heroinsüchtig, saß oft im Gefängnis, verlor bei einer Schlägerei die oberen Schneidezähne und musste sich mühsam zurückkämpfen. Mit Mitte vierzig hatte er das zerfurchte Gesicht eines alten Mannes, der aus glasigen Augen in die Welt blickte.
Seine Töne wurden im Laufe der Jahrzehnte zum vollendeten Ausdruck von Tragik und Verletzbarkeit. Er spielte, wie er lebte. Und starb plötzlich und rätselhaft. Er war 58 Jahre alt, als die Passanten ihn leblos vorfanden. Wie und warum er aus dem Fenster stürzte, ist bis heute ungeklärt.
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.
Chet Baker - My Funny Valentine - Torino 1959
Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 7:40 Uhr, um 13:30 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.
Sendung: "Allegro" am 13. Mai 2022 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK