Am 20. Januar gibt Jewgenij Kissin ein Konzert in München. Auf dem Programm stehen ausschließlich Werke von Beethoven. Im Interview erzählt er, dass er die Musik Bethovens schon als kleines Kind kannte aber auch, dass es zur Interpretation großer Musik Reife benötigt und man sich als Interpret immer weiterentwickeln muss, um lebendig zu bleiben.
Bildquelle: Felix Broede
Das Interview zum Anhören
BR-KLASSIK: Was bedeutet Ihnen persönlich die Musik Beethovens?
Jewgenij Kissin: Beethoven war immer einer meiner Lieblingskomponisten. In den letzten paar Jahren hat Beethoven einen prominenten Platz in meinem Repertoire eingenommen. Ich bin sicher, dass das auch weiterhin so sein wird. Ich hoffe nur, dass ich lang genug lebe, um alle Werke Beethovens zu spielen. Das gilt übrigens für alle klassischen Werke, die ich besonders schätze.
BR-KLASSIK: Erinnern Sie sich daran, wie Sie Beethovens Musik kennengelernt haben?
Jewgenij Kissin: Es passierte, noch bevor ich eigene Erinnerungen daran habe. Ich habe eine Aufnahme, in der ich singe, und zwar das Thema aus Beethovens "Die Wut über den verlorenen Groschen". Da war ich vielleicht eineinhalb Jahre alt. Meine ältere Schwester, die Klavier spielte, hat das Stück damals geübt. Da habe ich es wohl aufgeschnappt und nach Gehör nachgesungen.
Wenn ich alte Aufnahmen von mir höre, würde ich jetzt einige Dinge anders spielen.
BR-KLASSIK: Hat sich Ihr Beethoven-Verständnis über die vielen Jahre hinweg verändert?
Ludwig van Beethoven, Federzeichnung von Johann Peter Lyser | Bildquelle: picture alliance/akg-images
Jewgenij Kissin: Ein Kind kann natürlich Musik noch nicht verstehen, es fühlt sie. Wenn ich auf ältere Stücke aus meinem Repertoire zurückkomme, Stücke, die ich lange nicht gespielt habe, spiele ich sie anders, auch wenn ich überzeugt bin, dass meine Auffassung der Stücke sich nicht geändert hat. Wenn ich alte Aufnahmen von mir höre, würde ich jetzt einige Dinge anders spielen, besser. Vielleicht hat es gar nicht so viel mit meinem Verständnis für Musik zu tun, sondern mit meinen Fähigkeiten, und mit dem, was ich von mir selbst erwarte.
BR-KLASSIK: Benötigt es eine gewisse Reife, um mit Beethovens Musik umzugehen?
Jewgenij Kissin: Das ist immer wichtig, nicht nur bei Beethoven. Großartige Musik ist reife Musik, wenn man so will. Und wenn man sie gut interpretieren will, braucht man selbst eine gewisse Reife.
Jedes Stück ist auf seine eigene Art herausfordernd.
BR-KLASSIK: Ihr Konzertprogramm am 20. Januar ist sehr anspruchsvoll – die Pathétique, die Sturm-Sonate, die Waldstein-Sonate, dann noch die Eroica-Variationen. Ist das nicht sehr fordernd für das Publikum?
Jewgenij Kissin: Jedes Stück ist auf seine eigene Art herausfordernd. Was das Publikum angeht: Da kommt es einfach darauf an, wie gut die einzelnen Zuhörer sich vorbereitet haben, welche Erfahrungen sie schon mit klassischer Musik hatten. Natürlich würde ich vorschlagen, dass Zuhörer, die die Stücke noch nicht kennen, zu Hause ein paar Aufnahmen anhören, bevor sie in mein Konzert gehen. Zum Glück gibt es ja eine Menge hervorragender Einspielungen.
BR-KLASSIK: Und wie ist es für Sie – strengt Sie so ein Programm auch an?
Jewgenij Kissin am Klavier | Bildquelle: picture-alliance/AP Photo Jewgenij Kissin: Natürlich ist jedes Stück eine Herausforderung. Egal ob die Pathétique, die Hammerklaviersonate, egal ob Beethoven, Chopin oder sonstwer. Ich glaube, die größte Herausforderung für uns Interpreten ist, das Niveau der Musik, die wir spielen, zu erreichen. Nur wenige großartige Interpreten schaffen das. Aber wir müssen zumindest versuchen, dem so nahe wie möglich zu kommen. Sonst ist es nicht wert, die Musik aufzuführen. Ich möchte hier den russischen Pianisten Vladimir Sofronizki zitieren, der sagte: "Man muss immer besser spielen wollen. Wenn man das nicht will, stirbt man als Künstler." Ich kann diesem Zitat nur zustimmen.
Montag, 20. Januar 2020 20:00 Uhr
München, Philharmonie im Gasteig
Ludwig van Beethoven:
Klaviersonate Nr. 8 c-Moll op. 13 "Pathétique"
Eroica-Variationen Es-Dur op. 35
Klaviersonate Nr. 17 d-Moll op. 31,2 "Der Sturm"
Klaviersonate C-Dur Nr. 21 "Waldstein" op. 53
Sendung: "Leporello" am 14. Januar 2020 ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK