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Karl Amadeus Hartmanns Symphonie Nr. 6 Existenzielle Wucht

München, 24. April 1953: Die 6. Symphonie von Karl Amadeus Hartmann wird uraufgeführt. Schräge Aventgarde ist das nicht, und trotzdem im besten Sinn des Wortes "unerhörte" Musik: gefühlvoll, energisch, gelegentlich auch chaotisch – und immer voller Leben.

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Noch ganz neu ist er, der Herkulessaal in München. Nach der Zerstörung des renommierten Konzerthauses Odeon hat man beschlossen, es nicht wiederaufzubauen. Und stattdessen in der Residenz schräg gegenüber einen neuen Konzertsaal einzurichten: an der Nordseite zum Hofgarten – dort, wo der Thronsaal von Ludwig I. war.

Ungemütliches Wetter im April 1953

Er riecht noch, neu, nach Farbe, dieser klassizistische Herkulessaal, der mit seinen nackten eckigen Säulen und der Kassettendecke so manchen Besucher auf ungute Weise an die NS-Architektur erinnert. Kalt und ungemütlich soll es an diesem Dienstagabend im April 1953 auch gewesen sein, sagt die Chronik, leichter Regen, weithin sind die Bombenschäden sichtbar, natürlich.

Neue Konzertreihe in München

Aber das ist alles egal. Die weit über 1.000 Leute, die ins Konzert strömen, sind glücklich. Stolz. Auf diesen Tausendsassa Karl Amadeus Hartmann, der ihnen seit sechs Jahren nun schon zeigt, wie es weitergehen kann: "musica viva" heißt seine Konzertreihe, und mit der bringt er sie auf komplett andere Gedanken. Mit einer Musik, die sie noch nie gehört haben und die er zehn Jahre vorher ganz sicher nicht hätte aufführen können. Musik mit einer existenziellen Wucht ...

Expressiv, pathetisch, exzessiv

Was Eugen Jochum und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks da musizieren, erinnert an die Spätromantik, an einen hypermodernen Richard Strauss vielleicht, und ist doch was total Neues, was Karl Amadeus Hartmann, der Anton-Webern-Schüler und Alban-Berg-Freund, da fabriziert. Purer Expressionismus, aber immer auf dem Boden der Tonalität. Pathetisch. Exzessiv. Musik, die einen den Alltag komplett vergessen lässt. Keine Verzweiflung, keine Angst mehr, sondern Zorn, Freude, Aufbruch steckt in ihr. Sein "ganzes Lebensgefühl", sagt Hartmann selbst. Ja. Wahrscheinlich nicht nur seines.

Rafael Kubelík dirigiert Hartmanns Symphonie Nr. 6

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Karl Amadeus Hartmann - Symphony Nº6 | Bildquelle: Justin Geplaveid (via YouTube)

Karl Amadeus Hartmann - Symphony Nº6

Was heute geschah

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Sendung: "Allegro" am 24. April 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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