Hamburg, 20. Juni 1969. Krzysztof Pendereckis Oper "Die Teufel von Loudun" wird uraufgeführt. Dieses provozierende Stück Musiktheater über religiösen Wahn und Exorzismus gilt heute als bahnbrechendes Meisterwerk. Die Reaktion bei der Uraufführung war allerdings äußerst mau. War die Zeit etwa noch nicht reif für die Erstlingsoper des polnischen Komponisten?
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In einer Hinsicht war der Premierenabend eine Enttäuschung: Der Mega- Eklat, der Skandal, über den man noch in Generationen spricht, blieb aus. Das Publikum reagierte mit hanseatischer Gelassenheit, es applaudierte, wo es etwas zu applaudieren gab und buhte, als der Komponist nach Vorstellungsende auf die Bühne trat.
Und auch die Kritiker der großen überregionalen Zeitungen waren alles andere als überschwänglich: "Überflüssige Literatur-Veroperung" meckerte der "Spiegel", "kleinmütige Erstlingsvertonung" bemängelte die FAZ und die "Zeit" hatte sich Pendereckis Partitur zur Brust genommen: "Ein paar Klangteppiche, ein paar schrille Folien, ein paar Ostinato-Bewegungen. Ein paar Ansätze nicht etwa zu etwas grundsätzlich Neuem oder Andersartigen, sondern zu einer Mini-Oper: das war alles". Außer Spesen nichts gewesen? Schade, denn von den Grundvorrausetzungen her hätte Krzysztof Pendereckis "Die Teufel von Loudun" mehr werden müssen, als der "Dünnschiss" von dem NDR-Kritiker Heinz-Klaus Metzger so despektierlich sprach.
Am 27. Juni hat Pendereckis Oper in einer Neuinszenierung von Simon Stone Premiere; am Pult steht Vladimir Jurowski.
Ausführliche Informationen zu Werk, Inszenierung, Besetzung sowie die Termine finden Sie auf der Homepage der Staatsoper.
Da war ein 35-jähriger Komponist, der zu den kraftvollsten und klanglich innovativsten Neutönern seiner Generation zählte. Da war ein süffiges Sujet nach einem Roman von Aldous Huxley, das alles mitbrachte, was es zur Theater-Provokation braucht: Exorzismus, sexuelle Hysterie, Blutrausch, religiöser Wahn – und das alles im Nonnengewand. "Das macht keinem die Hölle heiß", lautete der Tenor nach der Hamburger Uraufführung. Warum dieses gleichgültige Schulterzucken? 1969 ist die Zeit von APO und serieller Klangkonstruktion. War die Musik nicht mathematisch genug? Das Textbuch zu wenig intellektuell oder gesellschaftspolitisch aufgeladen?
Das Urteil über Pendereckis Avantgarde-Werk hat sich seitdem geändert. Heute gilt "Die Teufel von Loudun" als radikal und zukunftsweisend. Als eine "Fortsetzung von Alban Bergs Wozzeck in der Moderne", wie es der Dirigent Wladimir Jurowski so treffend formuliert.
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Krzysztof Penderecki: Die Teufel von Loudun / The Devils of Loudun (1968-9)
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Sendung: "Allegro" am 20. Juni 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK