Norderney, 15. Juli 1846. Der Komponist Robert Schumann schreibt sich als Dr. Schumann im Hotel auf Norderney ein, während seine Frau Clara den Eintrag gleich als Werbung nutzt: "Kammermusikvirtuosin seiner Majestät des Königs von Österreich." Wer weiß, vielleicht ergibt sich ja so für Clara die Gelegenheit, hier aufzutreten und Geld zu verdienen.
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Eine Fehlgeburt verhindert jedoch vorerst das Konzertieren. Clara genießt das raue Seeklima und die Einsamkeit der Insel. Sie braucht diese Ruhe, sie liebt es, die Natur zu fühlen. Auch Robert Schumann hat Erholung dringend nötig. Nervosität und Schlaflosigkeit plagen ihn mal wieder. Zudem knabbern die Strapazen der vier Monate währenden Russlandtournee der Gattin immer noch an seinem Seelenzustand.
Stumpfsinnig starrt er die Wand an und spitzt die Lippen, als würde er pfeifen. Doch kein Ton ist zu hören. Immerhin nimmt er 25 Seebäder im kühlen Meerwasser. Am liebsten würde er sofort Abreisen. Um endlich an einer Oper zu arbeiten! Felix Mendelssohn Bartholdy schenkte ihm während seines Besuchs auf Norderney ein potentielles Libretto: das unvollendete Versepos "Tristan und Isolde" von Karl Lebrecht Immermann. Grillparzers "König Ottokar" studiert Schumann ebenfalls auf Operntauglichkeit. Außerdem werden die "Skizzen für Pedalflügel" gerade publiziert, und seine C-Dur Symphonie muss endlich instrumentiert werden ...
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BRSO Rehearsal with... GUSTAVO DUDAMEL
Es gibt viel zu erledigen am heimischen Schreibtisch! Wie sehr grämt es ihn obendrein, als seine Frau Clara tatsächlich ein Konzert geben kann und diesem Aufenthalt wenigstens einen Sinn gibt. Sogar das Hannoversche Kronprinzenpaar sitzt im Publikum. Was bleibt für ihn auf der Insel Norderney? Spazieren gehen und lesen. Dazu pausenlos brausender Wind, tosende Wellen und immer wieder Regen. Schumann empfindet all das als eine "schier unerträgliche Langeweile".
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Sendung: "Allegro" am 14. Juli 2021 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK